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Schlummernd vor der Röhre

Einmal im Stau auf der Autobahn einzuschlafen, kostet 1000 Mark, erfuhr der Autofahrer A. vor dem Amtsgericht Altona  ■ Von Eberhard Spohd

Reichlich müde gewesen war A., als er am 27. November 1997 gegen Mitternacht die Autobahnauffahrt Bahrenfeld passierte. Seit morgens um sieben hatte der KFZ-Mechaniker an Autos herumgeschraubt, erst beruflich, später noch privat mit einem Kollegen am eigenen Wagen. Als sich am Elbtunnel die Höhenmessung einschaltete und die Flußunterführung für zehn Minuten gesperrt wurde, nutzte der 33jährige die Gunst der Stunde, um ein kurzes Power Nap zu halten.

Unglücklicherweise ließ er sich so tief in Morpheus' Armen wiegen, daß er auch nicht erwachte, als die Weiterfahrt freigegeben wurde. Statt dessen schlief er seelenruhig weiter, während sein Auto, der erste Wagen im Stau, die mittlere Fahrspur blockierte.

„Als wir um 0.23 Uhr den stehenden Wagen passierten, sahen wir einen Mann am Steuer sitzen, den Kopf an die Kopfstütze gelehnt und den Mund geöffnet.“ Der Polizist S. vermutete sofort einen Unglücksfall und rief über Funk nach einem Rettungswagen. Als aber sein Kollege sich um den schlafenden A. kümmern wollte, schreckte dieser hoch und gab sofort Gas. Zeuge S. und sein Streifenkollege verfolgten den Wagen und stellten fest, daß A., jetzt offensichtlich auf hellwach geworden, mit überhöhter Geschwindigkeit durch „die Röhre“ fuhr. „Bei der Ausfahrt Waltershof stoppten wir das Auto, und A. gab sofort zu, daß er eingeschlafen sei.“

Mindestens für zehn Minuten, so ergab die Beweisaufnahme gestern vor dem Amtsgericht Altona, war der zweifache Familienvater eingenickt. „Das war aber nur eine abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs“, erklärte Richter Reinhard Kloß den Anwesenden den Sachverhalt, „für eine Bestrafung müssen wir schon eine konkrete Gefährdung nachweisen.“

Da zog S. seinen Trumpf aus der Tasche, ein Videoband aus dem Peterwagen, auf dem alles dokumentiert sei. Auf die irritierte Nachfrage des Richters, ob das Gerät denn immer mitlaufe, konterte S., daß es sich um eine „taktische Maßnahme“ handele und alle Autobahnfahrten „routinemäßig“ mitgeschnitten würden. Deutlich sei auf dem Band zu sehen, daß ein Auto stark abbremsen mußte und erst im letzten Moment ausweichen konnte: „Das war eine konkrete Gefährdung.“

Das wollte nun Kloß wiederum aufgrund einer unscharfen Aufnahme auch nicht wahrhaben: „Da brauchen wir schon einen Gutachter, es sei denn, wir einigen uns auf einen Vergleich.“ Darum erhalten jetzt aufgeweckte Kinder vom eingeschlafenen Fahrer 1000 Mark – dieses Bußgeld muß er an den Fördergebiet Verkehrserziehung und Verkehrssicherheit zahlen.

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