Scham über Bremens Asylpolitik

■ Bremens Ausländerbeauftragte greift Innensenator Borttscheller (CDU) wegen seiner negativen Haltung zum Kirchenasyl an / Flüchtlingsinitiativen protestieren zum Tag der Menschenrechte

Bremens Ausländerbeauftragte Dagmar Lill hat sich anläßlich der Feier zum 50. Jahrestag der Deklaration der Menschenrechte mit harscher Kritik an Bremens Asylpolitik zu Wort gemeldet. Während einerseits im Bremer Rathaus eine Gedenkstunde – in Abwesenheit von Gastgeber und Bürgermeister Henning Scherf (SPD) – zelebriert wurde, sagte Lill: „Ich schäme mich für Bremens Asylpolitik.“ Sie könne sich „zum Glück kaum einen Ort vorstellen, der Bremens Beispiel folgt“.

Mit dieser Kritik wandte sich Lill an Innensenator Ralf Borttscheller (CDU), der im Vorfeld der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) „Rechtsbruch“ unterstellt hatte, weil diese einem Ehepaar aus Togo Kirchenasyl gewährt.

Lill widerspricht dem entschieden. Ebenso Bürgermeister Scherf: „Ich persönlich kann mich der Haltung der Kirche nur voll und ganz anschließen.“ Dennoch mußte sich auch Scherf Kritik gefallen lassen an seinem Auftreten. So demonstrierten mehrere Menschenrechtsgruppen während der Feier im Rathaus – unter anderem gegen die drohende Abschiebung des 18jährigen Togoers Abass A. Sie sagten: „Uns ist nicht nach Feiern zumute. Wir erleben schon zu lange die Lähmungen innerhalb der Großen Koalition.“ Die Asylgruppe Ostertor richtete einen bitteren Offenen Brief an Scherf: „Der 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ging an uns spurlos vorbei.“

Der Zorn der Menschenrechtsaktivisten brandet nicht ohne Grund zum jetzigen Zeipunkt auf. Denn neben seinen Äußerungen zum Kirchenasyl weigert sich Innensenator Borttscheller zudem, einen Abschiebestopp für Flüchtlinge auszusprechen, die bereits vor dem 1. Januar 1990 in Deutschland lebten. Für diese Fälle soll in naher Zukunft eine neue Regelung in Kraft treten, die ihnen erneut ein Bleiberecht sichern könnte.

Im Innenressort beruft man sich angesichts dieser Vorwürfe stets auf geltendes Recht. Als Grundlage dienen dazu geheime Länderberichte des Auswärtigen Amtes. In der aktuellen Verschlußsache zu Togo wird die Menschenrechtslage recht drastisch geschildert, wenngleich von Abschiebungen nicht explizit abgeraten wird. Allerdings hat jetzt der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) neue Fakten auf den Tisch gelegt, die gegen die Bremer Asylrechtspraxis im Fall Togo sprechen. In dem Bericht vom 10. Dezember heißt es ausdrücklich, daß die Lage in dem afrikanischen Land derzeit „äußerst gespannt und besorgniserregend“ ist. Hinzu kommt für den UNHCR die nachvollziehbare Entscheidung des Europäischen Parlaments, die ausgesetzte Entwicklungshilfe für Togo weiter zu sperren. Darum ist es für den Flüchtlingskommissar „sehr wahrscheinlich, daß sich dies entscheidend auf die Behandlung von abgelehnten Asylbewerbern auswirken wird.“

Interessant wird der Bericht des UNHCR vor allem in Bezug auf das Auswärtige Amt Deutschlands, das eben jene Berichte erstellt, auf die sich Innensenator Borttscheller stets bezieht. Dazu heißt es, daß sich „das Auswärtige Amt nach eigener Aussage nicht in der Lage sieht, die Situation der Rückkehrer über längere Zeiträume zu beobachten.“ Für den UNHCR kann die Sicherheit für Rückkehrer nicht gewährleistet werden. Vielmehr seien „ausnahmslos“ alle gefährdet, über deren politische Aktivitäten „öffentlich (auch auf lediglich regionaler Ebene) berichtet wurde“. Das träfe in Bremen auf eben jenes Ehepaar zu, das im Kirchenasyl sitzt. Aber auch für Abass A. Wie berichtet, wird er zur Zeit per Haftbefehl gesucht, um ihn abzuschieben.

Jens Tittmann