: Bomben treiben Ölpreis nicht hoch
■ Trotz Bomben auf Bagdad bleibt Rohöl billiger als vor der Ölkrise 1973. Erdölländer fürchten den Bankrott ihrer Volkswirtschaften
Wien (dpa) – Der „schlimmste Fall“ ist eingetreten, doch alles bleibt beim alten. Selbst der Militärschlag gegen den Irak kann die Weltmärkte für Rohöl nicht erschüttern. Im Gegenteil: Bei den Ölproduzenten wächst die Furcht, daß der Ölpreis trotz des beginnenden Winters ins Bodenlose fallen wird. Statt einer Versorgungskrise der westlichen Industriestaaten droht der Bankrott großer Förderländer.
Am Londoner Ölmarkt sackte der Preis der in der Nordsee geförderten Ölsorte Brent gestern um 30 Cent auf 11,03 Dollar je Barrel (159 Liter). Da lagen die ersten Einschläge von Marschflugkörpern bei Bagdad schon zwölf Stunden zurück. Der Durchschnittspreis für Öl der Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) lag zuletzt bei 9,13 Dollar. Er liegt damit schon deutlich unter der Hälfte des Preises von 21 Dollar, den dieses Kartell aus elf Staaten seit Jahren anstrebt. Unmittelbar vor der letzten Opec-Ministertagung in Wien vor drei Wochen hatte Opec-Öl noch 11,35 Dollar gekostet.
Auch außerhalb des Kartells schrillen die Alarmglocken. Rußland mußte als Ölgroßmacht innerhalb eines Jahres einen Preissturz von 17 Dollar auf weniger als zehn Dollar je Barrel Öl hinnehmen. Dabei lebt das krisengeschüttelte Land zu einem bedeutenden Teil vom Ölexport. Mexiko hatte sich in seiner Not zur Zusammenarbeit mit der Opec bereit erklärt. In Indonesien und Nigeria droht die Ölförderung ganz unrentabel zu werden.
Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur IEA in Paris kostet Öl derzeit soviel wie 1986 und ist inflationsbereinigt sogar billiger als 1973 vor der ersten Ölkrise. In den USA wurde vorgerechnet, daß Öl real sogar billiger sei als 1949.
Der neugewählte Staatspräsident Venezuelas, Hugo Chavez, will mit einer neuen Strategie aller Förderländer das Steuer herumreißen. Man müsse „einen fürchterlichen Ölpreiskrieg verhindern, der den Barrel-Preis – Gott behüte – wieder auf vier bis fünf Dollar bringen könnte“, sagte Chavez. Der staatliche Ölkonzern Petroleos de Venezuela S.A. kommt im laufenden Jahr nur noch auf 1,4 Milliarden Dollar Nettoerlöse. 1997 waren es noch vier Milliarden Dollar gewesen. Weltweit rücken die Ölkonzerne wegen der Preiskrise zusammen und suchen nach Einsparmöglichkeiten.
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