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Guter Ruf ist teuer Von Ralf Sotscheck

Manche Leute haben's gut: Eine Zeitung schreibt etwas Falsches über sie, und schon sind sie reich. „Libel“ heißt das irische Spiel, bei dem man ein hübsches Sümmchen Schadensersatz kassieren kann. Um mitzuspielen, muß man freilich prominent sein, denn der Ruf normaler Menschen ist nicht viel wert. Irische Geschworene sind bekannt für ihre Großzügigkeit, wenn es um die Festlegung einer Summe geht, damit der Rufgeschädigte leichter über Schmerz und Scham hinwegkommt.

Anfang des Monats wurden dem früheren Sozialminister Proinsias de Rossa umgerechnet 750.000 Mark zugesprochen, weil der Sunday Independent behauptet hatte, er sei für sein Amt völlig ungeeignet. Schließlich habe er als ehemaliges Mitglied der offiziellen IRA eine Einstellung zu Gewalt und Bankraub gehabt, die sich für einen Minister nicht ziemt. Strafverschärfend kam für das Blatt hinzu, daß der Artikel vom ehemaligen Fußballnationalspieler Eamonn Dunphy stammte, der es sich mit der Nation verdorben hat, weil er ständig Irlands Fußballdenkmal Jack Charlton hänselt.

Wer auswärts klagt, hat allerdings schlechte Karten. Das mußte Ex-Premierminister Albert Reynolds erfahren. Ihm hatte die Londoner Sunday Times vorgeworfen, er habe die Auslieferung eines kinderschändenden Pfaffen an die britische Justiz absichtlich hintertrieben. In der irischen Ausgabe schrieb das Blatt vorsichtshalber, Reynolds habe die Sache aus Versehen verschlampt. Deshalb mußte Reynolds vor einem britischen Gericht klagen, das ihm zwar recht gab, aber ihm einen Schadensersatz von nur einem Penny zusprach. Soviel ist den Briten der Ruf eines irischen Ex-Premiers und heutigen Hundekuchenfabrikanten sowie Freizeit-Countrysängers wert. Was sollen bloß Köter und Kauboys von ihm denken?

Die Birmingham Six, jene sechs Iren, die 17 Jahre lang unschuldig in britischen Gefängnissen saßen, haben aus dem Fall gelernt. Als der Guardian einen unappetitlichen Tory-Kandidaten zitierte, der beim Wahlkampf in einer Schule behauptet hatte, die Birmingham Six hätten „Hunderte von Menschen umgebracht, bevor sie geschnappt wurden“, da klagten die sechs nicht in England, sondern vor einem irischen Gericht – obwohl der Guardian gerade 3.000 Exemplare in Irland verkauft. Das Blatt hatte nämlich vergessen, darauf hinzuweisen, daß Evans eine Knalltüte ist. Der Autor hielt das wohl für offensichtlich, da Evans auch die Kastration von „schwarzen Bastarden“ gefordert hatte, wenn sie einer Vergewaltigung überführt würden. Seine Labour- Kontrahentin hatte er als „lediges Mädchen mit drei Bastard-Kindern“ bezeichnet. Die WählerInnen verstanden den Artikel und schickten statt Evans das Mädel mit den Bastard-Blagen ins Parlament.

Die Birmingham Six wittern nun einen Haufen Geld, der Guardian soll eine sechsstellige Summe zahlen – ausgerechnet das Blatt, das als einziges das Urteil gegen die Birmingham Six von Anfang an in Zweifel gezogen und entscheidend an der Kampagne für ihre Freilassung mitgewirkt hatte. Gewinnen die Sechs mit ihrer Goldgräberaktion, werden es sich die Zeitungen in Zukunft gründlich überlegen, ob sie ihre LeserInnen über den Verbaldurchfall von Politikern informieren.

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