piwik no script img

■ QuerspalteZugangst oder Flugangst?

Wenn Sie nicht zu den Leuten gehören, die unter Flugangst oder Zugangst leiden, brauchen Sie jetzt nicht weiterzulesen. Es handelt sich hier nämlich nur um einen kleinen, zielgruppengerichteten Text zur weihnachtlichen Reisezeit, der die Veränderungen im Leben eines Phobikers behandelt und sich somit an die Zielgruppe um Woody Allen richtet. Die diesjährige weihnachtliche Reisefrage für Phobiker lautet: Flug oder Zug?

Der Phobiker hat diese Frage bis vor einigen Jahren noch eindeutig beantworten können: Zug! Wo sonst konnte man sich noch von dem Rattern des Fortbewegungsmittels einlullen lassen, die Landschaftspanoramen valiumfrei betrachten und sich in Sicherheit wiegen, daß ein klitzekleiner Unfall, nun ja, im schlimmsten Fall nur die vorderen Waggons beträfe, während man selbst vorsorglich immer in die hinteren Wagen geklettert ist? Fliegen hingegen ist unmenschlich. Es gilt das Alptraumprinzip: Abstürzen und tot sein. Aussteigen ist nicht. Und die frische Luft kommt auch nicht durchs Fenster. Doch dann wurde der ICE erfunden.

Klimatisierte Luft. Verriegelte Türen. 280 Kilometer in der Stunde. Eschede. Terroranschläge. Da ist es wieder, das „oft zu bemerkende Gefühl der Unbehaglichkeit der Eisenbahnreisenden, welches allerdings nur selten zu einem regelrechten Angstzustand wird. Die Möglichkeit einer Kollision ist stets gegenwärtig. Darüber hinaus verwehrt die Geschwindigkeit dem Reisenden die ruhige Betrachtung von Ansichten entlang der Strecke, etwas, was das Reisen in der Kutsche zu einer Quelle der Entspannung machte. Der Reisende wird nun zu einer rein subjektiven geistigen Tätigkeit gezwungen, wo eine Veranlagung zur Erregbarkeit besteht, muß dieser Umstand als eine unangenehme Begleiterscheinung angesehen werden.“ So stand's vor über 100 Jahren in der Zeitschrift Lancet. Was damals die Dampflok war, ist heute der ICE.

Also: Zug oder Flug? Für den Phobiker gibt es nur noch eine Alternative: Kutsche! Barbara Dribbusch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen