Kommentar
: Warum Clinton zurücktreten sollte

■ Der US-Präsident ist auch an sich selbst gescheitert

Die Washingtoner Politik, insbesondere die republikanische Kongreßmehrheit, hat sich in ihrem Bemühen, Bill Clintons Präsidentschaft zu zerstören, weit von der politischen Realität des Landes entfernt. Aber sie hat Erfolg: Bill Clinton ist fertig. Was er mit Zähnen und Klauen verteidigt, ist sein Amt, nicht seine Autorität. Wenn ein Kongreß sich nur noch darum streitet, ob man die Verfehlungen des Präsidenten nur scharf rügen oder ihn deshalb des Amtes entheben sollte, dann hat dieser Präsident seine Autorität verloren. Was immer Clinton als Reformpräsident nach den lähmenden Jahren von Reagan und Bush hat auf den Weg bringen wollen – was er bisher nicht geschafft hat, bekommt er jetzt auch nicht mehr zustande. Und jeder Tag, an dem das Weiße Haus damit beschäftigt ist, die Amtsenthebung abzuwehren, bringt bisherige Erfolge in Gefahr.

In der Außenpolitik hat das bereits fatale Folgen. Selbst wer der Meinung ist, der Zeitpunkt der Attacken auf den Irak zu Beginn der Impeachment-Debatte sei reiner Zufall, muß zur Kenntnis nehmen, daß viele auf der Welt daran zweifeln und als Amoklauf wahrnehmen, was als Friedenssicherungspolitik deklariert ist. Im Senat wird die Amtsenthebung nicht durchkommen. Aber bis dahin schwindet weiter Clintons Fähigkeit, den Bestand seiner Erfolge zu garantieren – vom Wye-Abkommen bis zu Nordirland. Zu einem innenpolitischen Befreiungsschlag, der ihm den Ärger vom Hals schafft, ist er nicht in der Lage. Insofern bleibt nur eins: Clinton muß zurücktreten. Und das muß er tun, sobald er seinem Vizepräsidenten Al Gore damit nicht mehr die Chance auf zwei volle Amtszeiten nimmt. Also im Januar.

Das ist bitter, weil damit die Strategie der Republikaner aufgegangen ist, Clinton, dem sie politisch nichts entgegenzusetzen hatten, durch Schnüffeleien in seinem Privatleben scheitern zu lassen. Zerstörung statt Politik: Die Republikaner haben die Quittung, die ihnen die WählerInnen im November präsentierten, ignoriert – sie scheinen damit durchzukommen.

Nur: Bill Clinton ist eben nicht, wie die First Lady meinte, Opfer einer Verschwörung, sondern zum guten Teil Opfer eigener Dummheit, letztendlich auch seiner Charakterlosigkeit, Macht zu wollen und Verantwortung abzulehnen. Nach so vielen Jahren bekommt Clinton es nun deutlich zu spüren: Man kann auf die Dauer kein Marihuana rauchen, ohne zu inhalieren. Bernd Pickert