: Prozeß gegen Militärs in Guatemala
■ Ein Strafgericht untersucht den Mord an elf indianischen Dorfbewohnern durch eine Militärpatrouille im Oktober 1995
Freiburg (taz) – Zum ersten Mal wird in Guatemala ein dem Militär zur Last gelegtes Massaker vor einem normalen Strafgericht verhandelt. Bisher waren solche Verfahren durch Militärtribunale mehr vertuscht als aufgeklärt worden. „Dieses Verfahren ist deshalb ein wichtiger Test für die zivile Gesellschaft in Guatemala“, so Bruno Gebele, der als Mitglied einer deutschen Juristendelegation den Prozeßauftakt in Cobán beobachtete, „hier wird sich zeigen, ob das Prinzip der Straflosigkeit überwunden werden kann.“ Angeklagt sind 24 Soldaten, die als Mitglieder einer Militärpatrouille im Oktober 1995 in das Gebiet der Finca Xamán eindrangen. Dort lebten überwiegend zurückgekehrte indianische Flüchtlinge, die die Soldaten zur Rede stellten. Nach einem Funkgespräch mit ihren Vorgesetzten, so die Anklage, begannen die Soldaten plötzlich zu schießen. Elf Bewohner starben, 30 weitere sowie drei Soldaten wurden verletzt. Die Soldaten berufen sich auf Notwehr. Sie hätten sich verlaufen und die Bauern um freien Abzug gebeten, dann sei plötzlich auf sie geschossen worden.
„Formell werden die Verfahrensvorschriften zwar eingehalten“, berichtet Bruno Gebele, Direktor des Amtsgerichtes in Titisee-Neustadt, „problematisch ist aber, was hinter den Kulissen geschieht.“ Eine Richterin schied aus dem Verfahren aus, nachdem sie einen Bestechungsversuch des Militärs offenlegte und Morddrohungen erhielt. Auch ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft wurde bereits mit dem Tode bedroht. Zuvor war der engagierte Staatsanwalt Contreras Valenzuela, der anfangs die Anklage vertrat, unter Protest von seinem Amt zurückgetreten. Umgekehrt gelang es aber der Nebenklage, den eigentlich vorgesehenen Vorsitzenden Richter wegen Befangenheit abzulehnen.
Der Prozeß hat in Lateinamerika schon deshalb großes Gewicht, weil die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú die Nebenklage übernommen hat. Auch die Prozeßbeobachtung durch deutsche Juristen soll das Gewicht des Prozesses erhöhen und ein korrektes Verfahren unterstützen. Die Delegation reiste im Auftrag des Deutschen Richterbundes und der Internationalen Juristenkommission, einer angesehenen NGO mit Sitz in Genf.
Doch auch die Verteidigung geht gut vorbereitet ins Verfahren. Die Soldaten werden von vier hochqualifizierten Anwälten vertreten. Da die meist noch recht jungen Angeklagten alle zum indianischen Bevölkerungsteil des Landes gehören, wird angenommen, daß das Militär die Anwälte bezahlt. Rechtsstaatliche Bedenken gegen den bisherigen Verfahrensverlauf äußern auch die Rechtsvertreter der Soldaten. Sie bemängeln vor allem die über dreijährige Untersuchungshaft. Zumindest die Soldaten, die nachweislich nicht geschossen haben, hätten längst freigelassen werden müssen, argumentieren sie.
Sollte dieses Verfahren zu einer Verurteilung führen, hätte das Signalwirkung für zahlreiche andere Klagen in Guatemala, bei denen es um noch schwerwiegendere Massaker aus den achtziger Jahren geht. Demnächst wird auch eine Verfassungsänderung greifen, wonach solche Verfahren generell vor ordentlichen Gerichten durchgeführt werden. Christian Rath
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