piwik no script img

Der Kongo-Krieg dehnt sich auf die Nachbarländer aus

■ Während der Waffenstillstand für die Demokratische Republik Kongo auf sich warten läßt, werden Angola und Kongo-Brazzaville Kriegsschauplätze. Hunderttausende sind auf der Flucht

Berlin (taz) – Allmählich wächst im Regime von Präsident Laurent- Désiré Kabila in der Demokratischen Republik Kongo die Furcht, der Krieg gegen die von Ruanda, Uganda und Burundi unterstützten Rebellen im Osten des Landes könnte verloren gehen. In Zeitungen wird bereits aus der westkongolesischen Stadt Mbandaka 600 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Kinshasa Kriegsangst vermeldet. Und die staatliche Nachrichtenagentur verbreitet allen Ernstes, die ruandischen und burundischen „Aggressoren“ seien Kannibalen und betrieben einen schwunghaften Handel mit kongolesischem Menschenfleisch – Kongolesen seien nämlich wohlschmeckender als Ruander und Burunder.

Untrüglichstes Zeichen für herannahende Panik: Präsident Kabila ist nach Libyen gefahren, um dort diskrekte Kontakte mit den Rebellen zu knüpfen – Ernest Wamba dia Wamba, Führer der Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), ist zufällig auch gerade in Libyen. Die mögliche Kontaktaufnahme unter der Ägide von Staatschef Muammar al-Gaddafi relativiert die zu Weihnachten verkündete Verschiebung des Kongo- Gipfels in Sambia am 27. und 28. Dezember, auf dem der mehrfach vereinbarte Waffenstillstand für den Kongo unterzeichnet werden sollte. Der Gipfel wurde auf einen unbestimmten Termin vertagt.

Jede Verschiebung des Friedens spielt den Rebellen in die Hände, die bereits die Hälfte des Kongo kontrollieren. Denn je länger der Krieg weitergeht, desto größer werden die Schwierigkeiten der Verbündeten Kabilas – militärisch sind es Simbabwe, Angola, Namibia und Tschad, politisch die anderen frankophonen Länder Zentralafrikas. Angola und Kongo-Brazzaville, die beiden westlichen Nachbarn des Kongo, sind jetzt zu Kriegsschauplätzen geworden – möglicherweise mit aktiver Hilfe der kongolesischen Rebellen und ihrer Freunde.

In Angola ist der 1994 ausgehandelte Frieden zwischen Regierung und Unita-Rebellen zusammengebrochen. Die Unita hat im Zentrum Angolas eine Großoffensive der Regierung zurückgeschlagen, eine eigene Offensive gestartet und belagert derzeit die Stadt Cuito. Über 100.000 Flüchtlinge sind die Folge. In der Nähe der ebenfalls umkämpften Stadt Huambo stürzte am Samstag ein UN- Flugzeug mit 14 Insassen ab. Wegen der Kämpfe konnte es bisher nicht geborgen werden.

Die angolanischen Rebellen unter Jonas Savimbi haben hartnäckigen, wenn auch unbestätigten Gerüchten zufolge Hilfe von Uganda über Kongos Rebellengebiet erhalten. So soll nach UN-Berichten ein belgischer Diamantenhändler im Dienst der Unita mittlerweile in der ostkongolesischen Stadt Kisangani aktiv sein. Der UN-Sicherheitsrat machte am 23. Dezember die Unita-Rebellen für den neuen Bürgerkrieg verantwortlich und erklärte seine „tiefe Besorgnis“ über Brüche des Embargos auf den Waffen- und Diamantenhandel der Unita.

Angolas Armee hat zugleich im nördlichen Nachbarland Kongo- Brazzaville alle Hände voll zu tun, dessen Hauptstadt Brazzaville direkt gegenüber von Kinshasa am Kongo-Fluß liegt. Weite Teile von Brazzaville sind verwüstet, seit Mitte Dezember schwere Kämpfe zwischen der Armee des dortigen Präsidenten Denis Sassou-Nguesso und Milizen der von diesem 1997 mit angolanischer Hilfe gestürzten Regierung von Pascal Lissouba und Bernard Kolelas ausbrachen. Angolas Militär mußte mit schwerer Artillerie den Süden von Brazzaville zurückerobern helfen. Nach unabhängigen Angaben sind über 400 Menschen gestorben und 250.000 aus ihren Häusern geflohen. Die Kolelas- treuen Milizen kontrollieren jedoch weiter Teile des Umlands von Brazzaville und sollen mit der Unita sowie mit den kongolesischen RCD-Rebellen verbündet sein. Dominic Johnson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen