: Kurze Geschichte des Scheiterns
Nach 20 Monaten elanvollen Windmühlenkampfs gibt die Hamburger Theater Mafia auf ■ Von Birgit J. Neumann
Groß eingestiegen, hart auf's Maul gefallen.“ Zimperliches Reden ist Michael Ehnerts Sache nicht – selbst dann nicht, wenn er mit einem schiefen Grinsen die Geschichte der Hamburger Theater Mafia als eine kurze Geschichte des Scheiterns formuliert. Keine zwei Jahre konnte die Produzentengesellschaft sich halten, obwohl die GesellschafterInnen Ehnert (Schauspieler, Autor), Kristian Bader (Schauspieler) und Catharina Fleckenstein (Regisseurin) seit April 1997 unerhörten Pioniergeist zeigten. Auf eigene Kosten versuchten sie, was die Kulturbehörde Hamburg nicht kann oder will: die Belebung der freien Theaterszene in der Hansestadt.
Die Idee war einfach und gut: Durch die Schaffung und Bereitstellung guter Produktionsbedingungen in Form von Proben- und Büroräumen, technischem Equipment, Kontakten zu Spielstätten und professionellem Know-How hat das erfahrene Theaterteam eigene und fremde Produktionen auf den Weg und die Bühne gebracht. Doch um die Fixkosten decken zu können, hätte die freie Szene das Angebot mehr nutzen müssen. Daß das nicht stattfand, führt Ehnert auf ihre faktische Auflösung zurück: „Angesichts der Erkenntnis, daß da kaum jemand mehr ist, der frei produzieren will oder kann oder sich traut oder auch nur Lust dazu hat, daß es also de facto keine freie Szene mehr gibt, muß in der Hansestadt reinste Aufbauarbeit geleistet werden.“
Die Mafia-GesellschafterInnen schufen ein Projekt, das beim Film nicht neu, aber auf dem Theatersektor absolut unüblich ist. Üblich ist es in der zunehmend frustrierten freien Kulturszene Hamburgs, als Einzelkämpfer einen Antrag auf Projektförderung an die Kulturbehörde zu stellen und nach der zehnten Absage umzuschulen oder umzusiedeln. Nicht alle haben den Kampfgeist des Bader-Ehnert-Kommandos.
Das Kabarett-Duo, 1997 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet, kennt die Existenzprobleme freier Theatermacher seit 1990. Sie wußten, worauf sie sich einlassen, als sie das Mafia-Projekt ausheckten und für seine Umsetzung zwei Jahre lang ihre Gagen von Theater-, Film- und Fernsehrollen sparten. Ohne nennenswerte Subventionen haben sie mit Unter der Gürtellinie und Tango im Altonaer Theater, Experiment Bartsch im Theater im Zimmer, Die Capricen der Marianne in der Speicherstadt, McBeth am Millerntor und dem Klinikprojekt im AK Barmbek ein reiches, professionelles Angebot beschert. Ungewöhnliche Spielorte, zuweilen experimentelles, immer zeitgenössisches Sprechtheater mit meist guten Kritiken.
Mit dem Jahreswechsel gibt die Hamburger Theater Mafia auf und verläßt die selbst renovierten Räume in der Altonaer Beerenstraße. Um in Hamburg zu arbeiten, hatte das Bader-Ehnert-Kommando die Übernahme des Theaters Zerbrochene Fenster in Berlin Kreuzberg vor drei Jahren abgelehnt. In Hamburg verabschieden sie nun ein Theaterprojekt, in das sie eine Viertel Million Mark investiert haben. Das Tilgen der Darlehen erscheint wie ein verlorenes Gefecht gegen die kulturelle Apokalypse. Aber wahre Mafiosi sind nicht beleidigt. Sympathisanten wissen längst: „Der Kampf geht weiter!“
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