■ Querspalte: Jetzt rollen die Köpfe!
Allen, die auf ein frohes neues Jahr hoffen, sei gesagt: Daraus wird nichts. Denn 1999 wird das Jahr Berlins. Außerdem wird 1999 das Jahr des Denkmals. Nun ist „Denk mal!“ kein schlechter Imperativ. Und unsere geliebte Reichshauptstadt ist schon heute voll mit zum Monument geronnenen Erinnerungen. Aber Siegessäule, Brandenburger Tor und sowjetische Ehrenmale reichen nicht für eine echte deutsche Hauptstadt. Reliquien der Macht müssen her. Der Kopf von Konrad Adenauer soll nach Berlin. Praktischerweise muß man den Schädel des Alten nicht unter Rhöndorfer Rosenstöcken suchen. Des Toten Kopf wacht vor dem Bonner Kanzleramt. Dort steht er, hager und hohlwangig, aber immerhin zwei Mal zwei Meter in Bronze. Würde sich auch am Reichstag gut machen, meinen einige Bundestagsabgeordnete, Berlin habe ein „Gedenkdefizit“ in bezug auf den ersten Kanzler der Bundesrepublik. Da ist etwas dran. Bis vor zehn Jahren gab es ja noch ein Bauwerk – kilometerlang, quer durch die ganze Stadt –, das an Adenauers Politik der Westintegration der BRD erinnerte. Aber die Ulbricht-Adenauer-Gedenkmauer ist in den Wirren von 1989 größtenteils geschleift worden. Die untergegangene DDR war im Denkmalwesen übrigens Weltspitze. Man denke nur an das zentrale Monument in Karl-Marx-Stadt. Gleich mehrere dünne Adenauerschädel würden in das steinerne Haupt des kommunistischen Patriarchen passen. Seit der Wende heißt Karl-Marx-Stadt wieder Chemnitz und hat ein Denkmal-Problem.
Hier liegt die Lösung auf der Hand. Der tonnenschwere Marx-Kopf kommt nach Berlin. Dort wird er so umgearbeitet, daß er fortan an jenen Kanzler erinnert, der für Berlin viel mehr übrighatte als der olle Adenauer: Helmut Kohl. Das wird eine wahrhaft hauptstadtwürdige Attraktion. Eine riesige Birne verewigt das Antlitz des Kanzlers der Einheit in Helmut-Kohl-Stadt, vormals Berlin: zehn mal zehn Meter, eindrucksvoll, majestätisch, hauptstädtisch. Und kein bißchen hager und hohlwangig. Robin Alexander
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