piwik no script img

„Die Ausländer sind alle sauer auf die CDU“

■ CDU-Vorstoß zur Volksbefragung läßt die Sympathien für rot-grüne Politik steigen

Der ausländerpolitische Sprecher der Bremer CDU ist unsicher, ob er sich an der geplanten Unterschriftenaktion der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft beteiligen wird. „In Einzelfällen ist die doppelte Staatsbürgerschaft sinnvoll“, schränkt Klaus Peters die Initiative seiner Bundespartei ein. Auch wisse er nicht, „wie diese Aktion bei der Bevölkerung ankommt – auch bei der ausländischen.“

Volker Kröning, SPD-Bundestagsabgeordneter und Gründungsmitglied der deutsch-türkischen Gesellschaft dagegen weiß, was geschehen wird: „Sowas polarisiert.“ Im Zusammenhang mit solchen Vorhaben das Wort Integration zu nennen, sei scheinheilig. „Integration ohne rechtliche Gleichstellung kann nicht klappen.“ Auch gebe es keine Gründe, wieso AussiedlerInnen neben der deutschen Staatsangehörigkeit die russische behalten dürften, TürkInnen aber nicht.

Krönings Einschätzung trifft den Nerv der Ausländerorganisationen Bremens. Bei ihnen kippt die Stimmung – gegen die CDU. An der geplanten Volksbefragung und auch an der „ausländerfeindlichen Hetze von Edmund Stoiber“ übten gestern zahlreiche VertreterInnen verschiedenster Organisationen scharfe Kritik.

Insbesondere die Äußerung des bayerischen CSU-Vorsitzenden Stoiber, die doppelte Staatsbürgerschaft gefährde die Sicherheit in Deutschland mehr als früher die RAF, empörte. „Das verletzt mich und meine Landsleute. Viele leben 30 Jahre hier“, sagte beispielsweise Melahat Yalcin vom Dachverband der Ausländer- und Kulturvereine (DAB). „Ob Intellektuelle, Fundamentalisten, Liberale oder Konservative, Türken oder Kurden – jetzt sind alle sauer auf die CDU.“

Diese Beobachtung im traditionell eher liberalen DAB teilt auch Abdul Kerim Sari von der Islamischen Föderation, deren Mitglieder Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) nach wie vor vom Verfassungsschutz beobachten läßt. „Dabei ist das paradox“, sagt er, „gerade konservative Muslime würden sich eher der CDU zuordnen.“

Die jüngste Debatte, sowie entsprechende Äußerungen von Innensenator Borttscheller hätten Ärger provoziert. Auch der Sprecher des Rats der Iranischen Flüchtlinge ist empört: „Die CDU macht Wahlkampf auf Kosten der Ausländer“, sagt Djafar Khosravi. „Viele iranische Flüchtlinge, selbst wenn sie in Deutschland Asyl bekommen, hätten ohne doppelte Staatsbürgerschaft kaum Chancen auf Mitbestimmung.

„Der Iran bürgert seine Staatsangehörigen oft nicht aus“, sagt er. Deshalb könnten viele Iraner nicht die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen; gleiches gelte für Vietnamesen. Nur die doppelte Staatsbürgerschaft, wie von der rot-grünen Koalition geplant, verschaffe ihnen die Gelegenheit zur Mitbestimmung.

Auch DAB-Mitarbeiterin Melahat Yalcin betrachtet die doppelte Staatsbürgerschaft vor allem sachlich. „Die doppelte Staatsbürgerschaft bringt Rechte und Pflichten. Aber keine Vorteile.“ In jedem Fall gelte es abzuwägen. Dabei sei die Sorge insbesondere von türkischen MigrantInnen der ersten Generation nicht unberechtigt, Nachteile bei Erbschaftsangelegenheiten zu erleiden.

Auch wenn ein Gesetz von 1995 vieles vereinfacht habe, dürften Türken kein Land in der Nähe von Militärzonen besitzen – vor allem aber trauten die MigrantInnen der Regierung nicht. „Die wechselt so oft. Die könnten ja schnell mal andere Gesetze machen“, begründet sie, warum viele Türken lieber zwei Pässe hätten. „Natürlich auch aus emotionalen Gründen. Als Deutsche kann ich nur drei Monate ohne Visum in der Türkei bleiben.“ Für den Besuch bei der Großmutter aber ein Visum zu beantragen, sei „unvorstellbar. So denken viele.“

Dennoch warnt DAB-Sprecher Norbert Breeger davor, den „Symbolwert“ der doppelten Staatsbürgerschaft zu überhöhen. „Wir begrüßen sie, aber sie muß nicht in jedem Fall eine Lösung sein.“ Auch Mehmet Kilinç vom Islam-Institut wäre „für eine sachliche Debatte“ darüber.

Stattdessen aber mache die CDU Ausländer und Muslime im Superwahljahr zum Sündenbock. „Das macht mir und anderen Angst.“ Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß insbesondere unter den älteren MigrantInnen viele den ersten Paß behalten wollten, „weil sie das Gefühl hätten, im Falle eines Progroms nirgendwo anders hin zu können.“ ede

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen