: Namensverwirrung am Wetterhimmel
Jahrelang kämpften Feministinnen gegen die Benennung von Tiefdruckgebieten mit Frauennamen. Nun haben sie einen Teilerfolg erzielt. Seit Jahresbeginn heißen auch Hochdruckgebiete Vanessa oder Wilma – aber nicht überall ■ Von Devrim Karahasan
Berlin (taz) – Im Kampf der Geschlechter an der Wetterfront ist vorerst ein Ergebnis erzielt: Hochdruckgebiete erhalten seit Jahresbeginn nicht nur männliche Namen, sondern dürfen nun auch Vanessa und Wilma heißen – statt Axel und Bille. Schönes Wetter ist nicht länger allein dem männlichen Geschlecht vorbehalten, auch Frauen kommen nun bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen zum Zuge.
Zumindest in der Wettervorhersage von ARD-Wetterfrosch Jörg Kachelmann sowie im Wetterbericht von RTL.
Sie kommen damit dem Anliegen einer bundesweiten Fraueninitiative entgegen, die sich schon seit längerem gegen die Benennung von Tiefdruckgebieten mit Frauennamen wendet. Die bisherige Namensgebung sei „diskriminierend“ und „sexistisch“, so die Sprecherinnen der Initiative, Elke Diehl und Marlies Krämer, weil Tiefdruckgebiete ihrer Ansicht nach immer nur schlechtes Wetter bedeuten.
Ihre Empörung über die geschlechtsspezifischen Bezeichnungen in den Lüften bewegte sie im vergangenen Jahr dazu, mit einer Unterschriftenaktion gegen die Tradition altgedienter Meteorologen zum Sturm zu blasen. Etwa 500 Unterschriften wurden an das Meteorologische Institut der FU Berlin gesandt, das schon seit den 50er Jahren für die Wetterbenennung zuständig ist. In einem Begleitschreiben forderten die Unterzeichnerinnen Institutsleiter Horst Malberg auf, dafür zu sorgen, „daß Frauennamen künftig nicht mehr vom Wetteramt mißbraucht werden“. Die Aktion blieb ohne Erfolg.
Nun tut sich Jörg Kachelmann mit feministischen Ambitionen hervor und bekundet sein Mißfallen über deutsche Wettertraditionen – und stellt in seinem Wetterbericht die Geschlechterrollen auf den Kopf.
Mit diesem Vorstoß wird er vermutlich jedoch für heilloses Durcheinander am Himmel sorgen. Während er im ARD-Wetterstudio von Xandras Herannahen berichtet, kann es passieren, daß die „Tagesschau“ rund eine Viertelstunde später von ganz anderen Druckgebilden redet. Die Verwirrung wäre komplett.
Der Wetterdienst in Offenbach hat nämlich bislang kein Interesse an den Umbennungen bekundet. Kein Sieg des Feminismus also, sondern der besseren Vermarktungsstrategie.
Im Streit der Worte bestätigte Institutsdirektor Malberg indes allen, die schon immer an der Richtigkeit von sprachlichen Dichotomien so ihre Zweifel hegten, daß die geschlechtsspezifische Namensgebung wenig aussagekräftig ist. Die Empörung der Frauen über die traditionelle Einteilung, wonach Frauen für Regen und Schneestürme, Männer dagegen für Sonnenschein zuständig erscheinen, sei ganz unbegründet. Malberg erinnert daran, daß Tiefdruckgebiete nicht nur negativ assoziiert seien, sondern für die nötige frische und klare Luft an trüben Wintertagen sorgen. Regen sei bekanntlich auch ein Symbol der Fruchtbarkeit. Gerade diese Interpretation vermag Feministinnen freilich kaum zu besänftigen.
Den ersten Sieg konnten die feministischen Himmelsstürmerinnen bereits 1979 feiern, als die World Meteorological Organization (WMO) in Genf Wirbelstürmen erstmals auch männliche Namen gab. Seitdem wechseln sich auf der Liste der WMO männliche und weibliche Namen ab. Auch in den Vereinigten Staaten ist der Geschlechtswechsel der Namen schon seit Mitte der 70er Jahre gebräuchlich.
Auf Kachelmanns Namensliste findet sich eine polyglotte Vielfalt von Fiona bis Othello, auch türkische Namen wie Yilmaz und osteuropäische wie Dragan. Auch die Nibelungen sind zum Beispiel mit Wotan vertreten.
Traditionell waren die Namen seit 1954 vom Berliner Meteorologischen Institut vergeben worden. Die Meteorologiestudentin Karla Wege war damals auf die Idee gekommen, den Druckgebieten Namen zu geben. Der Wetterdienst übernahm die Namen schließlich der Einheitlichkeit wegen.
Horst Malberg hatte auf Anregung von Feministinnen selbst die Idee geäußert, Hochdruckgebiete weiterhin mit männlichen Namen zu versehen, Tiefdruckgebiete aber mit solchen aus der Mythologie – von Aphrodite bis Zeus. „In der laufenden Produktion werden wir das Verfahren aber nicht ändern“, dämpfte er sogleich etwaige Erwartungen.
Auch wenn diese Idee vorerst nicht verwirklicht werden soll, ist die Namensverwirrung am deutschen Wetterhimmel mit Kachelmanns Vorstoß nicht mehr aufzuhalten.
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