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Schulmädchenreport oder Seminaristenclub

Seitdem es an Silvester zwei Schwerverletzte gab, liegt der Leiter des Hauses der Kulturen der Welt mit dem Wirt der „Schwangeren Auster“ im Streit. Hintergrund sind verschiedene Vorstellungen über das Zielpublikum  ■ Von Plutonia Plarre

Für die einen geht es um den guten Ruf, für die anderen um die wirtschaftliche Existenz: Das Haus der Kulturen der Welt liegt mit dem Pächter des Restaurants „Schwangere Auster“ unter dem geschwungenen Dach der ehemaligen Kongreßhalle offen im Streit.

Vorläufiger Höhepunkt des Konflikts war die Silvesterfeier in dem Restaurant, bei der zwei Männer schwer verletzt worden sind. Ein 33jähriger Mann aus Wilmersdorf bekam ein Messer in den Rücken, als er eine Rangelei am Eingang der „Schwangeren Auster“ schlichten wollte. Kurz darauf wurde ein 23jähriger Bosnier auf dem Weg zur Dachterrasse durch Schüsse in die Beine niedergestreckt. Die Täter konnten entkommen. Die Polizei geht von einem Zusammenhang zwischen den Taten aus, wollte sich zu dem Stand der Ermittlungen bislang aber nicht äußern.

Die Ereignisse haben dazu geführt, daß der seit mehreren Jahren schwelende Streit zwischen dem Haus der Kulturen und der „Schwangeren Auster“ offen ausgebrochen ist. Seitdem der vormalige Leiter des Goethe-Instituts in Chicago, Hans Georg Knopp, im Herbst 1996 Generalsekretär im Haus der Kulturen geworden ist, hat sich das Profil der Einrichtung erheblich verändert: weg von ländlicher Folklore hin zu urbaner, zeitgenössischer Kultur. Für das Restaurant „Schwangere Auster“ hatte dies zur Folge, daß die alten Stammkunden weggeblieben sind, neue aber nicht kamen. Deshalb bemühte sich der Wirt Wolfgang Ritschl, der auch Inhaber des Nobelrestaurants Paris-Moskau ist, um andere Kundenschichten. Doch seine Werbung für sogenannte „Schulmädchenreport“- Tanztees und schwule Cocker-Partys war nicht das, was sich Hans- Georg Knopp unter gepflegter Kultur vorstellte.

Der in diversen Goethe-Instituten erprobte Generalsekretär wirft dem Gastwirt nun vor, mit seinen „wahllosen Veranstaltungen“ das gute Image des Hauses „zu beeinträchtigen“. Denn „Respekt vor anderen Kulturen“ ist für Knopp oberstes Gebot. Der Wirt setze sich jedoch aus wirtschaftlichen Interessen ständig darüber hinweg. Nicht nur Ritschls Tanzveranstaltung „Schulmädchenreport“ hat Knopp als „sexistisch“ empfunden. Auch die Plakatwerbung für den Rio-Abend in der „Schwangeren Auster“, die einen nackten Frauenhintern zeigte, ist ihm übel aufgestoßen. „Das ist eine Diffamierung anderer Kulturen“, verweist Knopp darauf, daß auch das Brasilianische Generalkonsulat gegen diese Darstellung protestiert hat.

Dem Ansehen des Hauses hat laut Knopp auch geschadet, daß die „Schwangere Auster“ 1997 von drei bewaffneten Männern ausgeraubt und das Personal als Geisel genommen worden war. Auch die anonyme Bombendrohung im vergangenen Sommer habe dem Restaurant gegolten, glaubt der Generalsekretär. Beweisen könne er dies natürlich nicht. Aber es spreche doch für sich, daß es im Haus der Kulturen, das 1999 zehn Jahre existiert, bis dahin niemals tätliche Auseinandersetzung gegeben habe. „Das Haus ist als Ort bekannt, in dem mit Worten gestritten wird“, betont Knopp.

Gastwirt Wolfgang Ritschl weist die Vorwürfe entschieden zurück: „Es erstaunt mich doch, daß so ein gebildeter Mann wie Knopp zu solchen Vorurteilen in der Lage ist.“ Schließlich könne ein Restaurant nichts dafür, wenn es Opfer eines Raubüberfalles geworden sei. In der gleichen Zeit seien 30 andere Lokale überfallen worden. Auch an den Vorfällen zu Silvester treffe sein Restaurant keine Schuld, steht für Ritschl fest. Die Gaststätte sei an die Firma VIP-Event vermietet gewesen, die in den Räumen eine Party für ein „geföntes und solariengebäuntes B.Z.-Publikum“ veranstaltet habe. Der von VIP-Event eingesetzte Security-Service habe hervorragend funktioniert. „Es war die friedlichste Party, die man sich denken kann.“ Kein Lokal sei davor gefeit, „daß gewaltbereite Menschen eindringen“.

Auch die Sexismus-Vorwürfe hält Ritschel für vollkommen überzogen. Im Gegensatz zu den „Beamten“ im Haus der Kulturen bekomme er keine Staatsknete, sondern müsse sehen, wo er finanziell bleibe, sagt er und macht eine Gegenrechnung auf: Seit Knopp Chef sei, gerate das Haus „immer mehr aufs Abstellgleis“. Populäre Verstaltungsreihen wie die Weltmusik-Konzerte im Café Global, die sich als Publikumsmagneten erwiesen hätten, seien einfach gestrichen worden. Mit profaner Stadtteilkultur und dem breiten Berliner Stammpublikum wolle der „abgehobene“ Knopp nichts zu tun haben. Das Haus verkomme immer mehr zu einem „elitären Club“. „Ich kann aber nicht von 20 Seminaristen leben.“

„Die Programmatik ist nicht Sache von Ritschl“, verteidigt der Generalsekretär sein Konzept: „raus aus der Multikulti-Ecke“ hin zu einer „gleichberechtigten Präsentation der Kultur der Länder der Dritten Welt“. Das Jahr 1998 habe zwar mit 230.000 Gästen einen leichten Besucherrückgang gebracht. Dies wäre aber auch bei Beibehaltung des alten Konzeptes der Fall gewesen, meint er. Auch das Tempodrom habe bei seinen „Heimatklängen“ Einbußen zu verzeichnen gehabt.

Wenn zwei sich streiten, muß ein Schlichter her. „Wir kennen das Spielchen“, sagt der zuständige Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Kultur, der nicht namentlich zitiert werden will. „Die beiden Herren sind nicht ganz einfach“, heißt es diplomatisch. Das Tischtuch zwischen den beiden sei offenbar zerschnitten, deshalb sei eine Lösung des Problems gar nicht so einfach. Es sei denn, Ritschl würde seinen bis zum Jahr 2006 befristeten Pachtvertrag von sich aus kündigen. Aber der denkt gar nicht daran, sondern will die „Schwangere Auster“ für das künftige Regierungsviertel gründlich aufmöbeln. Am liebsten wäre es dem Wirt, wenn nicht noch mehr Öl ins Feuer gegossen würde. „Das sind doch hauptsächlich persönliche Animositäten.“

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