: Schließungsroulette geht weiter
■ Gesundheitssenatorin und Krankenkassen präsentieren ihre Vorschläge zur Reduzierung der Krankenhausbetten. SPD, Grüne und PDS kritisieren fehlende inhaltliche Begründungen
Die Gesundheitsverwaltung und die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen haben gestern erstmals offiziell ihre Vorschläge zur Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft vorgestellt. Danach will Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) mindestens sieben Kliniken schließen und zahlreiche Standorte aufgeben (siehe Kasten). Auch sind zahlreiche Versorgungsverbünde vorgesehen. Das bedeutet, daß Krankenhäuser zwar rechtlich selbständig bleiben, aber unter einer Dachstruktur miteinander kooperieren. Damit könnten medizinische Dienstleistungen (z.B. Labor, Röntgen) zentralisiert durchgeführt werden.
Die Krankenkassen wollen ebenfalls Versorgungsverbünde, aber auch Fusionen öffentlicher Krankenhäuser mit gemeinnützigen oder privaten Häusern. Dabei sind zahlreiche Trägerwechsel geplant. Der Vorschlag der Kassen lehnt sich eng an das Kieler Gutachten an, das bereits im Sommer erstellt wurde. Dort wird empfohlen, einen Großteil der öffentlichen Häuser zu privatisieren.
Die Vorschläge der Kassen und der Gesundheitsverwaltung wurden noch gestern dem Planungsbeirat, in dem Vertreter der Kassen, Gewerkschaften und der Gesundheitsverwaltung sitzen, zur Diskussion vorgelegt. Die Sitzung dauerte bei Redaktionschluß noch an. Am 15. Februar will Hübner dem Senat eine endgültige Planung vorlegen. Erwartet wird ein Kompromiß aus dem Kieler Gutachten und den beiden jetzigen Vorschlägen.
Die Neustrukturierung sieht vor, die Bettenzahl bis zum Jahr 2005 von derzeit 26.500 auf knapp 22.000 zu verringern. Das „Gros der Maßnahmen“ soll in den Jahren 2000 und 2001 erfolgen. Von dem geplanten Bettenabbau sind rund 7.000 MitarbeiterInnen betroffen. Bei den öffentlichen Häusern soll es dabei nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Für die anderen Träger soll, so Hübner, eine noch zu bildende Arbeitsgruppe klären, wie „der Beschäftigtenabbau sozialverträglich“ gestaltet werden kann.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Hans-Peter Seitz, wollte sich gestern nicht zu den einzelnen Vorschlägen äußern: „Ich erwarte, daß es bald ein nachvollziehbares Konzept von der Planungsbehörde gibt.“ Standortaufgaben müßten inhaltlich begründet sein. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Bernd Köppl, kritisierte insbesondere den Vorschlag der Kassen: „Dieser ist absolut brutal, da öffentliche Häuser völlig eliminiert werden.“ Es würde keine Rücksicht auf sozialverträgliche Maßnahmen genommen werden. Die PDS kritisierte, daß die Zahl der zur Schließung vorgeschlagenen Häuser ohne inhaltliche Begründung immer größer werde. Auch die Ärztekammer monierte, daß Kriterien fehlten, die die neusten Vorschläge medizinisch und ökonomisch nachvollziebar machen würden. Julia Naumann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen