: Nur ungebeugt abschieben
Erzwingungshaft für Abzuschiebende vom OLG Schleswig gerügt. Konsequenzen auch für Hamburgs Ausländerbehörde ■ Von Elke Spanner
Abschiebehaft ist keine Beugehaft. Daß die Ausländerbehörde Lübeck sie aber als solche mißbrauche, rügte nun das Oberlandesgericht Schleswig. Der Liberianer Walker R. kam daraufhin nach zwölf Monaten Gefängnis frei. Der Beschluß des OLG an der Schlei dürfte auch für Hamburgs Ausländerbehörde Konsequenzen haben.
Am 1. Januar 1998 war Walker R. in Lübeck in Abschiebehaft genommen worden. Immer wieder verlängerten sie die dortigen Gerichte, da er „seine wahre Identität verschleiert“. Hartnäckig behauptete Walker R., Liberianer zu sein. Folglich weigerte er sich, Paßersatzpapiere für Ghana zu beantragen, seine Ausreise nach Ghana konnte deshalb nicht organisiert werden. Die Gerichte resümierten, daß er versuche, seine Abschiebung zu verhindern. Die Voraussetzungen für die Inhaftnahme seien dadurch erfüllt.
Auf die Beschwerde seines Hamburger Anwaltes Georg Debler hin rügte nun das Oberlandesgericht Schleswig diese Argumentation. Zwar bestehe in der Tat der begründete Verdacht, daß sich Walker R. der Abschiebung entziehen wolle. Dennoch sei er aus dem Knast zu entlassen. Denn Sinn und Zweck der Haft sei alleine, der Ausländerbehörde Gelegenheit zu geben, die Abschiebung zu organisieren. Diese Vorbereitungen dürften sich aber nicht darauf beschränken, abzuwarten, ob jemand unter dem Druck des Gefängnisses sein Verhalten ändere. Das käme der Beugehaft gleich, und die zu verhängen, sei der Ausländerbehörde nicht erlaubt.
Laut Gesetz darf jemand für sechs Monate in sogenannte Sicherungshaft genommen werden, wenn der „begründete Verdacht“ besteht, daß er sich seiner Abschiebung entziehen will. Um weitere zwölf Monate kann der Gefängnisaufenthalt verlängert werden, wenn der Flüchtling seine Abschiebung „verhindert“.
Auch die Hamburger Ausländerbehörde sowie die hiesigen Gerichte, die den Haftbefehl aussprechen müssen, sehen die Kriterien gerne dann erfüllt, wenn jemand seine wahre Identität verschleiert oder sich weigert, Paßpapiere zu unterzeichnen. Davon kann Rechtsanwältin Christiane Yüksel ein Lied singen.
Ihr Mandant Ebrima Keita etwa saß 14 Monate im Hamburger Abschiebeknast Glasmoor. Routinemäßig verlängerte das Amtsgericht die Haft immer wieder mit dem Argument, daß „der Betroffene seine Staatsangehörigkeit verschleiert“. Denn in der Vergangenheit habe er diverse Staatsangehörigkeiten behauptet, weshalb kein afrikanisches Land bereit sei, ihn aufzunehmen. Dem Ghanaer Richmond Sebe wurde zum Haftgrund, daß „sich der Betroffene bisher geweigert hat, den Antrag auf Erteilung von Paßersatzpapieren auszufüllen“. Und Christopher Korona saß in Glasmoor, weil er „widersprüchliche Angaben zu seiner Identität macht“.
„Wenn jemand nicht zur Klärung seiner Identität beiträgt, kann das ein Haftgrund sein“, bestätigte der Sprecher der Hamburger Ausländerbehörde, Norbert Smekal, gegenüber der taz. Er wird den Schleswiger Beschluß nun aufmerksam lesen müssen.
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