Vorrang für Wale und Naturschutz

Schleswig-Holstein will den Nationalpark Wattenmeer mit einer Gesetzesnovelle besser schützen. Schäfer, Fischer und Bauern sind dagegen  ■ Von Sven-Michael Veit

Hamburg (taz) – Das erste deutsche Walschutzgebiet wird in der Nordsee eingerichtet. Das gab Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Rainder Steenblock gestern nachmittag in Kiel bei der Vorstellung einer Gesetzesnovelle über den Nationalpark Schleswig- Holsteinisches Wattenmeer bekannt. Ziel der Neuregelung sei, so Steenblock, dem Naturschutz in diesem Gebiet „eindeutigen Vorrang“ vor wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen einzuräumen. Der Gesetzentwurf, der am Vormittag vom Kabinett gebilligt worden war, soll nun auf öffentlichen Anhörungen diskutiert und noch in diesem Jahr vom Landtag verabschiedet werden.

Der Schutz der Meeressäuger ist für Steenblock „ein Eckpfeiler“ der Umweltpolitik im nördlichsten Bundesland. In dem zwölf Seemeilen breiten Streifen vor den nordfriesischen Inseln Amrum und Sylt, der künftig als Schutzgebiet für die in ihrem Bestand bedrohten Schweinswale gelten soll, befindet sich die „Kinderstube“ der kleinsten Delphinart. Dort sollen Stellnetz- und Gammelfischerei verboten sein, weil dabei nach Schätzungen von Umweltschützern jährlich Tausende der einzigen heimischen Meeressäuger, die sich in den Netzen verheddern, den Tod finden.

Der Nationalpark soll in die Nordsee hinein erweitert werden und Sandbänke und sonstige Flächen einbeziehen, die nach der Vogelschutz- und der Flora-Fauna- Habitat-Richtlinie der Europäischen Union als besonders schutzwürdig gelten. Das platte Watt im Norden ist für Hunderttausende von Seevögeln eines der wichtigsten europäischen Brut- und Rastgebiete. Vorgesehen sind ebenfalls die Ausweisung von Kernzonen, in den jede menschliche Aktivität untersagt ist, sowie leichte Einschränkungen für die Krabben- und Muschelfischerei.

Der 1985 gegründete Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist mit 273.000 Hektar der größte deutsche Nationalpark. Zusammen mit entsprechenden Küstengebieten in Hamburg und Niedersachsen bildet er ein geschütztes Ökosystem von Dänemark bis zu den Niederlanden. 1990 erkannte ihn die Unesco als „Biosphärenreservat von Weltrang“ an. Um die von der Kieler Landesregierung 1996 angekündigte schärfere Neufassung des Gesetzes schwelt seitdem ein heftiger Konflikt an der Nordseeküste. Fischer und Schäfer, Bauern und Hoteliers befürchten, von „der rot- grünen Kieler Ökodiktatur“ in „Sperrgebiete“ eingezäunt zu werden.

Einheimische seien in ihrer Existenz bedroht, wenn Kurgäste zugunsten von Wattwürmern vom Strand vertrieben würden, lautete eines der Schreckensszenarien, mit denen gegen „die Bevormundung durch auswärtige selbsternannte Umweltschützer von der Ostsee“ Stimmung gemacht wurde. Noch in der Nacht zum Sonntag hatten mehrere tausend Menschen die Nordseeküste zwischen Sylt und der Elbmündung mit über 160 Mahnfeuern erleuchtet und die Landesregierung aufgefordert, den Gesetzentwurf zurückzuziehen.