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Nur noch Dienst nach Vorschrift

Hamburger Lehrerverband startet eine Aktion gegen Mehrarbeit  ■ Von Karin Flothmann

Hamburgs LehrerInnen werden künftig nur noch „Dienst nach Vorschrift“ leisten – zumindest wenn es nach dem Willen des Deutschen Lehrerverbands (DLV) Hamburg geht. Aus Protest gegen die Sparpolitik des rot-grünen Senats startete die Pädagogengewerkschaft, die rechts von der GEW agiert, gestern ihre Aktion „Wir kündigen die Mehrarbeit!“ Denn zusätzliche Unterrichtsverpflichtungen, so erklärte Peter Braasch, Vorsitzender des Lehrerverbands, seien einfach „nicht mehr verkraftbar“.

Doch sie sind programmiert: Allein die Einführung von Abschlußprüfungen in den zehnten Klassen, so Braasch, blockiere die Arbeit in den Schulen eine Woche lang. Bei den Abiturprüfungen führten veränderte Korrekturbedingungen zu 80 Stunden Mehrarbeit pro Fach. Und ab August müßten ältere LehrerInnen wieder ein bis zwei Wochenstunden mehr unterrichten, da die bisher für sie geltende Altersermäßigung entfällt.

Um dem Burn-out-Syndrom vorzubeugen, empfiehlt der Verband daher „Kürzungsmöglichkeiten“, die jeder Lehrer ganz individuell vornehmen kann. „Der Unterricht“, betonte Braasch, „soll darunter natürlich nicht leiden.“ LehrerInnen könnten etwa ihre Mitarbeit bei der Erstellung von Schulprogrammen verweigern. Sie könnten an ihrer Schule auf „Tage der offenen Tür“ verzichten, es ablehnen, die Computer oder die Physiksammlung zu betreuen, und sie könnten außerschulische Aktivitäten wie Theaterbesuche oder Klassenfeste reduzieren. Mehrtägige Klassenreisen könnten außerdem ganz entfallen.

„Ich leiste, was möglich ist“, lautet das Aktionsmotto, das LehrerInnen sich künftig per Sticker ans Revers heften können. „Mehr verlangen wir auch nicht“, kommentierte gestern Reiner Schmitz, stellvertretender Landesschulrat in der Schulbehörde. Dummerweise würde die Aktion die falschen bestrafen. Denn wenn Theaterbesuche reduziert würden, müßten darunter doch die SchülerInnen leiden.

Andere „Kürzungsempfehlungen“ des Lehrerverbands kann Schmitz gar nicht nachvollziehen: Zur Mitarbeit am Schulprogramm, einem Reformprojekt, das im neuen Schulgesetz verankert ist und mit dem sich jede Schule ein eigenes Profil erarbeiten soll, seien die LehrerInnen verpflichtet. Und auch die Betreuung von Physiksammlungen oder PC-Netzen gehöre zur Dienstpflicht. Fänden sich keine Freiwilligen, müsse der Schulleiter eben jemanden zu diesen Aufgaben verdonnern. „Insofern“, so Schmitz, „ist die Aktion eine Aufkündigung des Betriebsfriedens in den Schulen.“

Auch Hamburgs SchülerInnen sind nicht sonderlich angetan von der Aktion. „Was die Lehrer da vorhaben, ist für uns ein Schlag ins Gesicht“, meinte Steven Galling, Sprecher der SchülerInnenkammer. Die Vorschläge des Verbandes führten dazu, „daß Schule für Schüler noch unerträglicher wird, als es durch die hohen Sparauflagen ohnehin der Fall ist“.

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