: Brasilien gibt Stützung seiner Währung auf
■ Das Land kann den Real zunächst nicht mehr stabil halten. Finanzstaatssekretär Heiner Flassbeck besorgt über mögliche „Ansteckungsgefahr“ für andere Länder durch Brasilienkrise
Brasilia/Berlin (taz/rtr) – Brasiliens Notenbank hat die Stützkäufe seiner Landeswährung Real aufgegeben und läßt den Wechselkurs vorerst frei zum Dollar schwanken. Der bisher geltende Wechselkurskorridor des Real zum Dollar wurde aufgehoben. Neue Regeln sollen am Montag festgesetzt werden. Damit ist die Währung faktisch um weitere neun Prozent abgewertet worden. Die Börse in São Paolo reagierte mit einem rasanten Kursanstieg um 20 Prozent bis gestern nachmittag MEZ. Am Vortag waren die Aktienkurse noch um zehn Prozent gesunken. Die Abwertung wirkte zunächst beruhigend auf die deutsche Börse.
Die schwere Finanzkrise und die dadurch ausgelösten Turbulenzen an den Aktienmärkten überschattete auch den Auftakt der Tagung der europäischen und asiatischen Finanzminister (Asem) in Frankfurt. Mehrere Finanzminister und EU-Währungskommissar Yves-Thibault de Silguy beschrieben die Situation in Brasilien als „besorgniserregend“. Deutschlands Finanzstaatssekretär Heiner Flassbeck äußerte sich „sehr besorgt“ über eine von Brasilien ausgehende „Ansteckungsgefahr“.
Die Notenbank hatte erst am vergangenen Mittwoch den Schwankungskorridor des Real zum Dollar auf 1,20 bis 1,32 Real ausgeweitet und die Landeswährung damit um faktisch rund acht Prozent abgewertet. Gestern scherte der Real-Dollar-Kurs bereits in den ersten Handelsminuten stark aus dem Korridor aus. Für einen Dollar mußten zeitweise bis zu 1,55 Real bezahlt werden. Erneut seien große Dollarsummen aus dem brasilianischen Markt abflossen worden, hieß es. Brasiliens Notenbank hatte noch am Donnerstag abend erklärt, sie sei entschlossen, die Devisenreserven und die Zinspolitik einzusetzen, um den Außenwert der Währung zu verteidigen. In den vergangenen Tagen hatte die Notenbank massiv zugunsten des Real intervenieren müssen, um die neue Spanne zu verteidigen.
Brasilien, die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt, leidet unter einer enormen Schuldenlast und verzeichnet derzeit einen Abfluß an Devisen. Am Donnerstag hatte sich die Kapitalflucht aus Brasilien weiter beschleunigt. Händler berichteten, es seien 1,8 Milliarden Dollar (drei Milliarden Mark) abgeflossen. Der Devisenabfluß seit Jahresbeginn summiere sich damit auf 5 Milliarden Dollar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen