: Fun pur, Anspruch pur
■ Seit dieser Saison zeigt das Theater in der Basilika eine zweite Programm-schiene mit unbequemen Dramen junger Autoren. Funktioniert das? Ein Gespräch mit Gunnar Dreßler
Fast zehn Jahre gibt es das Theater in der Basilika in Altona mittlerweile, und in dieser Zeit hat es sich vor allem einen Namen als Hamburger Hauptproduzent gehobener Yuppi-Beziehungsstreß-Komödien gemacht. Vor zwei Jahren erweiterte Theaterchef Gunnar Dreßler dieses Programm neuer Stücke von vornehmlich englischen und amerikanischen Autoren um Komödien mit bekannten Namen: Der Hit der Saison 1997/98 war Loriots dramatische Werke, in der laufenden Saison ist es Loriots dramatische Werke, 2. Teil.
Anfangs dieser Spielzeit gab es dann eine Programmerweiterung, die für das 100-Plätze-Theater wirklich eine kleine, aber feine Wende bedeutete: Die sogenannte „zweite Programmschiene“ zeigt anspruchsvolle Dramen in Bearbeitungen junger Regisseure. Bisher liefen in diesem Rahmen Werner Schwabs Präsidentinnen und Ben Eltons Popkorn; am 8. Februar hat The House Of Yes von Wendy McLeold Premiere, am 22. März folgt Dea Lohers Tätowierung. Diese Inszenierungen laufen zweimal wöchentlich im Wechsel mit – zumindest bis Ende April – Loriot. Zur Saison-Halbzeit sprach die taz mit Gunnar Dreßler über Konzept und Erfolg der neuen Reihe.
taz: Ist Ihre zweite Programmschiene hauptsächlich für junges Publikum gedacht?
Gunnar Dreßler: Die Programmstruktur hat vor allem mit der Wirtschaftlichkeit zu tun. Wir waren ja vorher ein reines En-Suite-Theater mit festen Laufzeiten. Und Komödien kann man bekanntlich leichter verkaufen als ernsthafte Stücke. Wenn wir einen Renner hatten, zum Beispiel ein Stück von Loriot oder Woody Allen, das irgendwann abgesetzt wurde, und dann kam ein Stück, das nicht das Potential hatte, so ein großes Publikum zu erreichen, hatte das Haus wirtschaftlich schwer zu knapsen.
Hat Ihr neues Konzept den erhofften Erfolg?
Ja, denn jetzt können die Komödien länger gespielt werden. Wenn's sein muß, läuft Loriot ein Jahr lang – die Verlängerungen beschließen wir von Monat zu Monat. Gleichzeitig können wir uns fünf ernsthafte Produktionen im Jahr leisten, früher waren es nur zwei oder drei. Die sind jetzt ständig im Programm, nämlich ein- bis zweimal wöchentlich.
Die Hauptthemen der Stücke im zweiten Programm sind: sexueller Mißbrauch, Inzest, emotionale Armut, Gewalt. Warum machen Sie so einen extremen Unterschied bei der Stückauswahl im ersten und im zweiten Programm?
Wir haben lange versucht, die anspruchsvolleren Stücke im breiten Sinne verkaufbar zu machen, aber wir wollten keinen Kompromiß eingehen. Jetzt können wir alles pur machen: Unterhaltung pur, Anspruch pur. Und wir können bei den ernsthaften Stücken jedes Risiko eingehen, auch mal mit unerfahrenen Regisseuren arbeiten.
Machen Sie nicht vielleicht auch deshalb die zweite Programmschine, damit die Kulturbehörde Ihnen nicht die Subventionen streicht?
Nein. Wenn wir nur noch Loriot und Co. spielen würden, hätten wir sicher mehr zusätzliche Einnahmen als die 175.000 Mark, mit denen wir subventioniert werden. Jeder Tag, an dem wir nicht Loriot spielen, kostet uns ein Heidengeld.
Wie hoch ist die Auslastung?
Bei Loriot: fast 100 Prozent, in der zweiten Schiene: um die 50 Prozent.
Wenn Ihnen so viel an ernsten Stücken liegt, inszenieren Sie doch mal selber eins!
Ich könnte es jederzeit, aber ich bin ja alleiniger Geschäftsführer des Hauses, und ich inszeniere schon ein bis zwei Komödien im Jahr bei uns. Komödien zu inszenieren, ist handwerklich viel schwieriger als etwas Experimentelles zu machen, und eine Komödie muß bei uns sehr erfolgreich sein. Unser Haus muß über eine Million Mark einnehmen im Jahr, damit der Betrieb läuft. Da gehe ich kein Risiko ein.
Wie ist die weitere Planung für die „zweite Schiene“?
Wir haben bis zum Sommer noch drei neue Inszenierungen, wobei für die Mai-Premiere noch kein festes Stück geplant ist. Das ist ja auch das Schöne: Wir können hier ganz spontan handeln. In der nächsten Spielzeit machen wir wieder fünf Neuinszenierungen zusätzlich zu den zwei bis drei im Hauptprogramm. Acht Inszenierungen – das ist doch eine ganze Menge für so ein kleines Haus!
Hört sich so an, als sei alles bestens. Oder haben Sie auch Fehler gemacht bei der zweiten Schiene?
Wir können noch radikaler und wilder werden. Popkorn zum Beispiel war zu zahm. Wir haben ja nichts zu verlieren, wir müssen noch mehr Experimente wagen.
Interview: Lydia Bach
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