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Auf der Flucht: Wie Postel seine Zielfahnder zum Narren hielt

■ Finten, Tricks und Frauenhilfe: Fast ein Jahr lang konnte sich der Hochstapler trotz Haftbefehls vor der Polizei verbergen

Die Beamten kamen zu einer unchristlichen Zeit. Allein, es nützte nichts: Als sie am 11. Juli 1997 um 2.30 Uhr morgens Gert Postel in seiner Wohnung verhaften wollten, war der schon längst über alle Berge. Postel sei „gestern als Hochstapler entdeckt wurden“, teilte die Pressestelle des Gesundheitsministeriums in Dresden am Morgen mit. „Seitdem ist er untergetaucht.“

Das sollte – trotz internationalen Haftbefehls und Zielfahndern – auch die nächsten zehn Monate so bleiben. Der Hochstapler narrte mit seinen Tricks die Polizei ein ums andere Mal. Immer wieder halfen ihm dabei Frauen, darunter sogar Justizbeamtinnen. In Leipzig etwa wurden Ermittlungen gegen eine Staatsanwältin eingeleitet. Sie soll Postel per Funktelefon gewarnt haben, daß ein Haftbefehl gegen ihn vorliege, die Verhaftung unmittelbar bevorstünde.

Eine Zeit lang war Postel auch in Berlin untergetaucht und hatte dort eine Wohnung gemietet. Nachbarn wurden stutzig – „Dieses Gesicht kennen wir doch!“ – und alarmierten schließlich die Polizei. Doch auch diesmal erhielt Postel einen Tip. Die drei Beamten, die ihn festnehmen wollten, fanden einen Zettel an der Tür: „Hallo Peter, bin in Bremen bei...“ Die Polizisten zogen enttäuscht ab. Postel soll das alles durch den Türspion beobachtet haben.

Später tauchte Postel bei einer Frau im Rhein-Main-Gebiet unter, die sich später dem Spiegel offenbahrte. Sie habe Postel in der Sauna – „wir waren beide ganz nackt“ – kennengelernt. „Noch nie hat sich ein Mann so intensiv um mich gekümmert. Er ist so gebildet, so sensibel, so intuitiv. Er spürt, wie ich mich fühle.“ Was sie erst später aus Zeitungen erfuhr: Postel konnte, wenn er von einer Frau abgewiesen wurde, unglaublich grausam werden. Eine junge Staatsanwältin etwa, die sich seinen Annäherungsversuchen widersetzte, jagte er bis zum Zusammenbruch. Er observierte sie, attakierte sie mit Anrufen, lancierte Zeitungsmeldungen, nach der sie wahlweise zur Generalstaatsanwältin befördert oder zur Beauftragten für Fledermäuse ernannt worden sei. Eine andere Frau soll Postel mit obszönen Anrufen traktiert haben.

Vor einem Jahr entdeckten Zielfahnder endlich wieder eine heiße Spur – diesmal in Stuttgart. Bei ihren Ermittlungen sprachen sie unter anderem auch mit einer Richterin. Einer der Ermittler gab ihr seine Handy-Nummer, für den Fall der Fälle. Der war längst eingetreten: Die Richterin rief in ihrer eigenen Wohnung an, wo Postel untergekommen war. Der Hochstapler konnte sich nicht nur davonmachen, sondern auch noch seine Häscher anrufen: „Wie wäre es denn, wenn ich mich stelle?“

Am 12. Mai 1998 hatte der Spaß vorerst ein Ende: Postel wurde auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof verhaftet.

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