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Daimler und ABB scheiden ihre Bahn-Ehe

DaimlerChrysler übernimmt für rund 795 Millionen Mark den ABB-Anteil am Bahntechnik-Hersteller Adtranz. So will man schneller aus der Verlustzone kommen. Das Joint-venture dauerte nur drei Jahre  ■ Aus Berlin Hannes Koch

Zurück in die Zukunft: Der DaimlerChrysler-Konzern holt die Herstellung von Zügen und Bahntechnik wieder ins Unternehmen. Der nach eigenen Angaben weltgrößte Bahnproduzent Adtranz (Hennigsdorf bei Berlin) geht für rund 795 Millionen Mark komplett in den Besitz der Stuttgarter über. Das gaben Daimler und ABB (Zürich), die bislang jeweils 50 Prozent an Adtranz hielten, gestern bekannt.

Für Daimler bedeutet die Übernahme einen abermaligen Strategiewechsel. Während der Ex-Vorstand Edzard Reuter in den 80er Jahren versucht hatte, einen weltumspannenden Technologiekonzern aufzubauen und dabei unter anderem die notleidende AEG gekauft hatte, tat Nachfolger Jürgen Schrempp das Gegenteil. Er speckte ab, um das Kerngeschäft der Autofertigung zu stärken. So brachte Daimler auch die Bahntechnik der AEG in das Joint-venture mit ABB – die Adtranz – ein. Nun geht es wieder andersherum: Die Bahnsparte passe hervorragend in den Verkehrskonzern DaimlerChrysler, heißt es.

Nach dem Riesenschritt seiner Fusion mit dem US-Autoproduzenten Chrysler ist Daimler der lahmen ABB überdrüssig. „Wir wollen die Restrukturierung von Adtranz noch schneller vorantreiben“, sagte Daimler-Sprecher Christoph Walther. Der weltweite Markt für Bahntechnik wachse, so die Analysen, doch Adtranz könne daran zur Zeit kaum teilhaben. 1997 fuhr man Verluste von 380 Millionen Mark ein, 1998 dürfte kaum besser ausfallen. Der Eifer bei Daimler korrespondiert mit einer gewissen Unlust bei ABB. Der Elektro- und Maschinenbaukonzern steckt selbst in Umstrukturierungsschwierigkeiten und will lieber mehr Geld in die Automatisierungstechnik investieren, als sich mit Zügen und Straßenbahnen zu beschäftigen.

Beim Start 1996 sagte Ex-Adtranz-Chef Kaare Vagner dem neuen Weltmarktführer mit rund 23.000 Beschäftigten in 40 Ländern eine glänzende Zukunft voraus. Den früheren Marineoffizier holten jedoch schon bald die Probleme ein. 1997 stornierte die Hamburger S-Bahn die Lieferung von Adtranz-Zügen, weil die brandneuen, acht Millionen Mark teuren Gefährte auf freier Strecke einfach stehenblieben. Ein Jahr später untersagte das Eisenbahnbundesamt der Deutschen Bahn AG, Neigetechnikzüge aus dem Hause Adtranz zu verwenden. Begründung: „gefährliche Pannen“.

Um Geld zu sparen hatte das Unternehmen bei neuen Modellen auf Prototypen und Vorserien verzichtet. Die Erprobung fand beim Kunden statt. Nachträgliche Verbesserungen brachten nicht nur Kosten mit sich, sondern auch Imageverlust. Es zeigte sich, daß der neue Bahnhersteller die eigene Entwicklung von Zügen und S-Bahnen nicht im Griff hatte.

Ähnlich wie beim Konkurrenten Siemens resultierten die Probleme in erster Linie daraus, daß die Deutsche Bahn die Entwicklung neuer Züge nicht mehr wie früher selbst leiten wollte, sondern diese Dienstleistung an die Privatindustrie auslagerte. Erschwerend kam die Krise in Asien hinzu, die den erhofften Umsatz reduzierte. Alleine in Deutschland will Adtranz deshalb die Zahl seiner Beschäftigten von gegenwärtig 7.400 auf rund 6.000 drücken. Ob nun noch mehr Stellen reduziert werden, blieb gestern offen.

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