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Anklage gegen Österreichs Bajuwaren-Bomber

■ Mord und Körperverletzung: Der mutmaßliche Briefbomber Franz Fuchs ist angeklagt

Wien (taz) – Mit der Veröffentlichung der Anklageschrift hat gestern der Endspurt zum spektakulärsten Gerichtsverfahren der Zweiten Republik begonnen. Im Gerichtsgebäude von Graz wird ab dem 2. Februar gegen den mutmaßlichen Briefbombenattentäter Franz Fuchs verhandelt. Das 217 Seiten starke Dokument, das die Staatsanwaltschaft aus einem Berg von mehr als 400.000 Aktenseiten destilliert hat, ist in sieben Hauptpunkte gegliedert. Der wichtigste betrifft die Rohrbombe, die im Februar 1995 im burgenländischen Oberwart vier Roma tötete. Außerdem wird Fuchs zweifacher Mordversuch durch weitere Sprengsätze in Stinatz und Klagenfurt zur Last gelegt. Dazu kommen 21 Fälle schwerer Körperverletzung durch Briefbomben, die zwischen Dezember 1993 und Dezember 1996 abgeschickt wurden. Das prominenteste Opfer, Wiens damaliger Bürgermeister Helmut Zilk, verlor drei Finger der rechten Hand.

Fuchs, der bei seiner Festnahme im Oktober 1997 einen Sprengsatz zündete, der ihm beide Hände wegriß, beharrte in den Verhören darauf, daß er nur ein kleines Rädchen in der Organisation der Bajuwarischen Befreiungsarmee (BBA) sei. Dennoch rechnet er so fest mit seiner Verurteilung, daß er darauf verzichtete, mit seinem nicht unerheblichen Vermögen einen Staranwalt zu engagieren. „Ich nehme mir einen Pflichtverteidiger, weil mir doch alles Wurscht ist. Dieses ganze Schauspiel ist doch menschenunwürdig.“

Mittels zweier Gutachten, eines vom BKA in Wiesbaden, das andere von der Kriminaltechnischen Zentralstelle im Wiener Innenministerium (KTZ), will der Pflichtverteidiger Gerald Ruhri die Behördenthese widerlegen, Fuchs sei ein Einzeltäter gewesen. In der Tat ist die Indizienkette lückenhaft. So heißt es im Gutachten der KTZ, daß die bei Fuchs gefundenen Sprengstoffe zwar hohe Übereinstimmung mit denen der Brief- und Rohrbomben aufweisen, doch fehlen Hinweise, daß die Sprengsätze in der Wohnung des Angeklagten hergestellt wurden. Auch ist nicht eindeutig nachgewiesen, daß der Ingenieur über die in den Bekennerbriefen ausgebreiteten Spezialkenntnisse über das österreichische Mittelalter verfügt.

Sein Motiv, die Einschüchterung von Prominenten, die sich für die Rechte der Ausländer einsetzen, und die Vertreibung von Zuwanderern aus dem Osten und Südosten, hält er für einen hinreichenden Grund: „Eigentlich bin ich der Meinung, daß mir ein Orden umgehängt gehört.“

Angesichts der durch die Bombenanschläge aufgewühlten Emotionen und die mangelnde Reue des Angeklagten wäre alles andere als ein Urteil auf lebenslänglich eine Sensation. Landesgerichtspräsident Friedrich Kicker hat den Prozeß auf 13 Verhandlungstage anberaumt. Das Urteil soll am 1. März ergehen. Ralf Leonhard

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