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Messe: Anders Reisen

„Wir lassen Sektkorken knallen, wenn wieder eine Fusion über die Bühne geht. Denn die Nischen werden dadurch für uns größer“, gab sich Hans Engberding von Lernidee-Reisen selbstbewußt auf dem diesjährigen Reisepavillion in Hannover, der Messe für „anders reisen“. Auf der inzwischen etablierten Messe für ökologischen und sozialverträglichen Tourismus hatten sich Reiseveranstalter und Tourismuskritiker der Frage angenommen, ob umwelt- und sozialverträgliches Reisen im Zuge der weltweiten Globalisierung überhaupt eine Überlebenschance habe. Die vergangenen zwei Jahre hätten, so Engberding, zu der Einsicht geführt: Je größer die den Konzentrationsprozeß vorantreibenden Unternehmen, um so stromlinienförmiger deren Programme.

Als Folge davon wechselten immer mehr IndividualtouristInnen zu den Nischenveranstaltern, freute sich Engberding. Der im letzten Jahr enorm gewachsene Kundenstrom bei vielen auf dem Pavillon vertretenen Reiseveranstaltern scheint dies zu bestätigen. Allerorten war die Rede von einem guten bis sehr guten Geschäftsjahr 1998.

Angesichts dieser Tatsache vermochte der Tourismuskritiker Gerhard Armanski auf einem der über dreißig Diskussionsforen des Reisepavillons mit seinem Vorwurf, „anders reisen“ hätte sich als kleinteiliger, mittelständischer Tourismus entpuppt, der sich durch qualifizierte Handarbeit und allenfalls durch menschlichere Züge auszeichne, niemanden zu provozieren. Man steht dazu, als innovativer Geschäftsmann auf dem Markt mitzumischen. Heute müsse der umweltbewegte Touristiker für ein solches Outing keine ideologischen Prügel mehr von der Ökoszene einstecken, fügte Thomas Korbus von Ruf-Jugendreisen hinzu. Anders reisen, so das Ergebnis der Podiumsdiskussion unter dem Titel „anders reisen – gibt es das noch“, stehe heute für qualifizierte Angebote, die Zusammenarbeit mit mittelständischen Betrieben auch im Ausland, die gegen einen Großtourismus ansonsten gar keine Chance hätten, und für die letzten Reste eines Reisens mit klassischen Inhalten. Diese Inhalte wie Neugierde, Weltoffenheit, Begegnung und Erfahrung sind in den serienmäßigen Produktpalletten der Großveranstalter längst nicht mehr vorgesehen.

Auffällig viele neue Kooperationen und Netzwerke waren als Aussteller in Hannover präsent. Erstmals stellten auf dem Reisepavillon acht Kleinstverstalter – der kleinste hatte letztes Jahr dreißig und der größte dreihundert Buchungen – ihre „mixtour“ Genossenschaft vor. Außerdem starteten die Familienspezialisten Vamos-Reisen, Bambino Tour, und Ruf-Jugendreisen ihr gemeinsames Projekt „familissimo“. Durch diese Zusammenarbeit erhoffen sich die Unternehmen geringere Vertriebskosten und eine bessere Befriedigung der ökologisch sensiblen Kundenwünsche.

Auch die GTZ präsentierte ihren Leitfaden zur Unterstüzung eines umwelt- und sozialverträglichen Tourismus in Hannover. Eine neue Entwicklung insofern, als das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) lange Jahre Entwicklungsprojekte im Tourismus nicht förderte. Touristische Projekte galten jahrelang als Fördergelder- Schlucker mit begrenzter Garantie für Entwicklung.

Auch bei den Tourismusregionen standen die Zeichen auf Kooperation. Im Sinne der Agenda 21 waren an Runden Tischen „nachhaltige“ Tourismusprodukte entwickelt worden. Das Internetprojekt „Bodensee Click“ präsentierte sich als erfolgversprechendes Modell, bei dem vom Landwirt bis zum öffentlichen Nahverkehr alle am gleichen Strang ziehen.

Aber auch die missionarischen Traumtänzer gibt es noch. Einer forderte engagiert zum „letzten Gespräch mit dem Paradies“ auf. Aufklären wollte der Einzelkämpfer über den Verrat der Indios, die in ihrem Reservat im brasilianischen Regenwald Bäume abholzen. Als Reiseveranstalter weigerte er sich, diesen Menschen gute Touristen zu schicken. Mechtild Maurer

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