: Gabi Bauer, Inge Meysel, „Golden Girls“: Wie Homos fernsehen
Es ist nach wie vor eine beliebte Frage: Wie erkennt man einen homosexuellen Mann, wie eine homosexuelle Frau? Experten beteuern, die Probe aufs Exempel könne nicht anhand körperlicher Attitüden gemacht werden. Hinter einer tuntigen Geste, so verwirrend können die neuen Zeiten sein, steckt oft ein Hetero.
Anhaltspunkte gibt ein anderes Testverfahren. Fragen Sie einfach nach seinen und ihren TV- Gewohnheiten. Hier ein paar Tips zur Dechiffrierung. Bekennt einer, das „heute-journal“ zu schauen und die ARD-Konkurrenz mit Gabi Bauer nicht zu mögen, ist das schätzungsweise ein Hetero. Meint indes einer, die „Tagesthemen“ nur ihrer Moderatorin wegen zu schauen, deutet vieles auf diese, wie die einschlägigen Gemüter selbstironisch meinen, tragische Veranlagung hin. Frau Bauer, so möchte man die Vorliebe wohl erklären, ist das Gegenteil von Nina Ruge, und das erklärt wohl alles.
Die Frage übrigens, ob jemand die Homospezialsendungen im Offenen Kanal goutiert, ist müßig. Kein schwuler Mann schaut sich diese Minderheitenanstrengungen an. Wie es im eigenen Milieu aussieht, weiß man und frau selbst schon am besten. Lilo Wanders hingegen ist eine der Lieblingsheroinnen verkabelter und satellitenbewährter Homos – ganz verkleidete Frau gefällt.
Gefallen finden auch Sendungen wie „Golden Girls“, „Seinfeld“, „Brisant“ (Axel Bulthaupt ist ein Idol geworden), die „Lindenstraße“ (trotz und wegen Carsten Flöter), „Ellen“ (mit der wunderbaren Großstadtlesbe Ellen DeGeneris), Wiederholungen der „Unverbesserlichen“ (wegen Inge Meysel), alles aus der Sparte „Mystery“ (ist nicht auch das eigene Leben eine Akte X?). Unbekannt hingegen ist der Homo, der sich sonntags gegen 18 Uhr verabredungsresistent hält, wegen „Mona Lisa“: Soviel unheiteres Tremolo ist der Minderheit der gleichgeschlechtlich Gestrickten eher fremd.
Der Mann, der sich zu dieser Frauensendung bekennt, so darf vermutet werden, will sich als Sensibelchen gegenüber Frauenproblemen erweisen – und damit Punkte im gegengeschlechtlichen Zielkontakt („Balz“) machen. Schwule gucken gerne TV-Sendungen, in denen Frauen den Ton angeben, egal ob klagend oder triumphierend, am besten beides. Männer müssen wenigstens ein wenig zart sein. Drum fiel die Trauer um Günter Strack entsprechend verhalten aus.
Tierfilme sind übrigens sehr beliebt. Eine zufällige Umfrage in einem Ostberliner Szenetreff ergab, daß das Aquarium, auf welches der ORB jahrelang zwischen Sendeschluß und Sendebeginn seine Kamera hielt, bei den meisten hohes Ansehen genießt. Das nächtliche Kaminfeuer auf Super RTL wurde hingegen als allzu vordergründig beruhigend weggezappt.Jan Feddersen
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