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OSZE-Chef bleibt vorerst im Kosovo

■ Belgrad lenkt ein und setzt Ausweisungsbeschluß aus. Nato droht weiter mit Luftangriffen. Balkan-Kontaktgruppe berät über eine politische Lösung. Fünf Serben im Kosovo entführt

Belgrad (rtr/dpa/AP) – In der Kosovo-Krise hat sich Jugoslawien dem internationalem Druck gebeugt und die Ausweisung des Leiters der OSZE-Beobachter aus dem Kosovo, William Walker, ausgesetzt. Der OSZE-Vorsitzende Knut Vollebæk sagte, Walker könne für die Dauer des einjährigen OSZE-Einsatzes im Kosovo bleiben. Dies habe ihm Milošević am Donnerstag zugesichert. Damit widersprach Vollebæk einem Bericht der staatlichen jugoslawischen Nachrichtenagentur Tanjug. Danach ist der Ausweisungsbefehl nur so lange ausgesetzt, bis die Konsequenzen aus Walkers Verhalten untersucht worden seien.

Die Bundesregierung bezeichnete den vorläufigen Verzicht Jugoslawiens auf die Ausweisung Walkers als unzureichend. Die Erklärung, die der jugoslawische Staatspräsident Slobodan Milošević habe verbreiten lassen, sei „weiße Salbe“, sagte Außenamtssprecher Martin Erdmann gestern. Die internationale Gemeinschaft habe Jugoslawien eine Forderungsliste von sieben Punkten vorgelegt, deren erster die Rücknahme der Ausweisung Walkers sei. Selbst darauf sei Jugoslawien allenfalls zu 50 Prozent eingegangen. Das reiche sicher nicht aus.

Der Nato-Oberbefehlshaber für Europa, General Wesley Clark, nannte die Entscheidung Belgrads ein „halbes Zugeständnis“ und warf Milošević vor, er widersetze sich weiter dem Willen der Staatengemeinschaft. Clarks Angaben zufolge hat die Nato die Ziele bei einem Militäreinsatz im Kosovo bereits festgelegt. Über mögliche Luftangriffe könnte die Allianz in den kommenden Tagen entscheiden, sagte Clark. Er forderte Milošević erneut auf, seine Einheiten im Kosovo zu verringern. „Milošević verfügt über neun statt der drei vorgesehenen Bataillone und hat die Polizeieinheiten mit schweren Waffen ausgerüstet.“

Der Nato-Rat wollte gestern in Brüssel zu Beratungen über die Lage im Kosovo zusammentreten. Zuvor hatte Nato-Generalsekretär Javier Solana bei einem Besuch in Islands Hauptstadt Reykjavik betont, die Nato halte unverändert an ihrer militärischen Drohung gegen Jugoslawien fest. Gleichzeitig setzte die Allianz jedoch auf eine politische Lösung der Krise. Dabei verwies Solana auf ein Treffen der Balkan-Kontaktgruppe, die gestern in London zusammentrat. Nach Angaben des britischen Außenministers Robin Cook wollen die Mitglieder der Kontaktgruppe über eine dauerhafte politische Lösung für den Kosovo beraten. Ein Arbeitspapier sehe die Errichtung einer internen Regierung mit eigener Polizei vor, freie Wahlen unter internationaler Beobachtung und eine dreijährige Übergangsphase bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Status der serbischen Provinz. Ein klares politisches Konzept sei auch nötig für mögliche militärische Aktionen, sagte Cook.

Unterdessen wurden fünf serbische Zivilisten von der Kosovo- Befreiungsarmee (UCK) entführt, wie das serbische Medienzentrum gestern mitteilte. Die Geiseln seien in Nevoljani, rund 30 Kilometer nordwestlich von Priština, gekidnappt worden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR teilte mit, die Situation in der Gegend um Mitrovica habe sich zugespitzt. Dort seien rund 5.500 Menschen aus drei Dörfern geflohen.

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