piwik no script img

In Rumänien wird die Eskalation gerade noch vermieden

■ Nach Verhandlungen mit Ministerpräsident Vasile brechen die militanten Kumpel ihren Marsch auf Bukarest ab

Bukarest (taz) – Rumänien ist knapp am Ausnahmezustand und an bürgerkriegsähnlichen Zuständen vorbeigekommen: Die revoltierenden Bergarbeiter brachen gestern abend um 18.30 Uhr ihre Aktionen ab, nachdem ihre Führung zuvor vier Stunden mit dem Ministerpräsidenten Radu Vasile verhandelt hatte. Welche Forderungen die Regierung den Bergarbeitern erfüllen will, blieb aber noch unklar. Ministerpräsident Radu Vasile sagte nach den Verhandlungen, niemand habe gewonnen, weder die Bergarbeiter noch die Regierung, nur Rumänien habe seine Ruhe wiedergewonnen. Vasile wollte sich zu den konkreten Verhandlungsergebnissen nicht äußern. Er sagte nur, innerhalb eines Monats werde ein Moratorium über die gesamten Schulden des Nationalen Steinkohleunternehmens im Schiltal erlassen. Weder der Bergarbeiterführer Miron Cozma noch andere Mitglieder der Bergarbeiterführung machten Angaben zum Verhandlungsergebnis. Die Bergarbeiter zogen sich nach Ende der Verhandlungen in Richtung Schiltal zurück.

Nachdem die Bergarbeiter bei schweren Auseinandersetzungen massive Polizeisperren rund 200 Kilometer nordwestlich von Bukarest überwunden hatten, wandte sich Staatspräsident Emil Constantinescu mit einer dramatischen „Botschaft an die Nation“ an die rumänische Bevölkerung. Constantinescu kündigte in der Nacht zum Freitag an, den Ausnahmezustand auszurufen, wenn die Bergarbeiter sich nicht ins Schiltal zurückziehen würden.

Gestern nachmittag hatte das rumänische Parlament bei einer Sondersitzung über die Bergarbeiterrevolte beraten. Verteidigungsminister Victor Babiuc kündigte dabei an, bei weiteren Gewalttätigkeiten der Bergarbeiter sofort die Armee einzusetzen. Die Regierung hatte vor der Stadt Pitesti, 120 Kilometer nordwestlich von Bukarest, eine Panzereinheit, schweres Räumgerät sowie Tausende von Polizisten mit Wasserwerfern postiert. In der Stadt Rimnicu Vilcea setzten die rund zehntausend Bergarbeiter am Freitag ihren Protest fort und forderten einen Weitermarsch nach Bukarest. Dabei kam es jedoch bis in die Nachmittagsstunden nicht zu Auseinandersetzungen. Der neue Innenminister, Constantin Dudu Ionescu, der am Donnerstag abend das Amt des zurückgetretenen Gavril Dejeu übernahm, hat inzwischen mehrere Armeegeneräle und Staatssekretäre von ihren Posten absetzen lassen. Sie werden für das Scheitern des Polizeieinsatzes vom Donnerstag verantwortlich gemacht. Keno Verseck

Bericht Seite 4

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen