: Spagat zwischen Politik und Gewitter
■ Grüne streiten sich über Ersatznatur für das Mühlenberger Loch
Da hatte Umweltminister Rainder Steenblock Anfang vergangener Woche einen ballettreifen Spagat geboten, und trotzdem stand er auf dem Kleinen Parteitag der schleswig-holsteinischen Grünen am Sonnabend im Mittelpunkt eines, wie er es nennt, „reinigenden Gewitters“. Der grüne Minister hatte wie seine Kollegin Angelika Birk im Landeskabinett die Hand dafür gehoben, daß Hamburg im EU-Vogelschutzgebiet Twielenfleeter Sand an der Unterelbe die beabsichtigte Zerstörung des Mühlenberger Lochs ausgleichen darf.
Gleichzeitig teilte Steenblock aber mit, er halte diese Entscheidung für rechtlich zweifelhaft. Der Landeshauptausschuß der Grünen lehnte den Kabinettsbeschluß nun dennoch rundweg ab: Die grünen Kabinettsmitglieder sollten sich für eine andere Lösung einsetzen.
„Das, was uns immer wieder Schwierigkeiten macht, ist natürlich, in dem konkreten Regierungshandeln die grüne Programmatik darzustellen, die Fähigkeit zu vernünftigen Kompromissen zu entwickeln und uns gegenseitig dabei zu unterstützen, daß wir ein Optimum herausholen“, schilderte Steenblock das grüne Dilemma.
Dabei geht es den schleswig-holsteinischen Grünen ähnlich wie ihren Brüdern und Schwestern von der Hamburger GAL: Der jeweilige sozialdemokratische Koalitionspartner will um fast jeden Preis die Fabrik für den Riesen-Airbus A3XX an die Elbe holen. Die Grünen würden das am liebsten verhindern, können es aber gegen ihre Koalitionspartner und das übermächtige Argument „schafft Arbeitsplätze“ nicht durchsetzen.
In ihrer Not betreiben beide Landesverbände symbolische Politik: Steenblock, indem er der Zerstörung des einen Schutzgebietes als Ausgleich für das Zuschütten eines anderen zwar zustimmt, gleichzeitig aber zu verstehen gibt, er halte einen Einspruch der EU-Kommission für möglich. Die Hamburger GAL durch schrittweisen Rückzug: Gemäß der ersten Fassung der Koalitionsvereinbarung sollte mit dem Planfeststellungsverfahren für die Fabrik-Erweiterung erst begonnen werden, sobald Airbus Industries eine Standort-Entscheidung zugunsten Hamburgs getroffen haben würde. Das ist passé, das Planfeststellungsverfahren läuft bereits.
Zur Zeit versucht die GAL per kleiner Anfrage sicherzustellen, daß auch tatsächlich nicht losgebaut wird, bevor Airbus sich entschieden hat – und daß kein anderer Flieger im Mühlenberger Loch gebaut wird, falls der A3XX nicht kommen sollte.
Umweltminister Steenblock hatte für das Einhalten der Kabinettsdisziplin schon vor der Tagung des Landeshauptausschusses Prügel von den SprecherInnen seines Landesverbandes bezogen. Der Kabinettsbeschluß sei für den Naturschutz ein Mißerfolg, kommentierten Monika Mengert und Peter Swane – wofür sie selbst wiederum Kritik einstecken mußten. Der Nachwuchs der Nord-Grünen sprach den beiden sogar das Mißtrauen aus.
Der Landtagsabgeordnete Detlef Matthiessen fühlte sich durch die Debatte an die alten Grabenkämpfe zwischen Fundis und Realos erinnert. „Für mich hat die Diskussion ein Stück Ratlosigkeit offenbart“, sagte der Bundestagsabgeordnete Klaus Müller. Gernot Knödler
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