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Schäuble redet schon wie Helmut Kohl

Der Strategiegipfel der Union hat bewiesen, daß dort derzeit nur einer das Sagen hat: Edmund Stoiber. Wolfgang Schäuble offenbart ungewohnte Schwächen – manch einer zieht schon Vergleiche zu seinem Vorgänger  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

„Gerne.“ Mehr mußte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber für einen Lacherfolg gar nicht sagen. Dabei hatte er doch nur die Frage beantwortet, ob auch er sich noch zum Thema Bundespräsidentin äußern wolle. Dazu schien allerdings gerade der CDU- Vorsitzende Wolfgang Schäuble schon alles gesagt zu haben, und der lächelte denn auch bei Stoibers freudiger Absichtserklärung ziemlich süß-sauer. Oder doch nicht? Schäuble kann derzeit überhaupt keine Miene zu irgendeinem Spiel machen, die nicht sofort von Beobachtern eifrig registriert und interpretiert wird.

Schäuble hat sich in eine Ecke manövrieren lassen, in der er noch immer viel zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen hat. Beispiel Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft: Wer dafür ist, bei dem hat Stoiber mit seinen markigen Worten gepunktet. Wer dagegen ist, der nimmt die Kampagne Schäuble übel. Beispiel Hessenwahl: Bei einem Sieg wird Stoiber schon dafür sorgen, daß dieser Erfolg auf sein Konto geht. Bei einer Niederlage wird es heißen, daß Schäuble nicht rechtzeitig für Ruhe in der eigenen Partei gesorgt hat.

Seit dem Wochenende ist die Liste der Beispiele um eines länger: die Medienarbeit im Zusammenhang mit der Kandidatenkür der Union für das Amt des Bundespräsidenten. Das Vorschlagsrecht dafür liegt bei der CDU, weil Bundespräsident Roman Herzog als Bayer der CSU zugerechnet wird. Aber es war wieder einmal Edmund Stoiber, der vor Beginn des Strategiegipfels von CDU und CSU vor laufenden Kameras Schäubles Vorschlag wortreich lobte und über Dagmar Schipanski sagte: „Natürlich hat sie eine Chance.“ Erneut schien der neue CSU-Vorsitzende die Graue Eminenz zu sein, die im Hintergrund die Fäden zieht. Schließlich hörte man von seinem CDU-Amtskollegen dazu kein Wort, bevor nicht die Entscheidung der Gremien gefallen war.

Viele Mitglieder im Vorstand und im Präsidium der CDU sind nachhaltig verärgert. Sie hatten sich unter der Neugestaltung der Partei nach dem Abschied von Helmut Kohl etwas anderes vorgestellt, als ihre künftigen Entscheidungen immer wieder aus der Zeitung zu erfahren. Schäuble mußte auf dem Strategiegipfel das Scheinwerferlicht Edmund Stoiber überlassen, wollte er verhindern, daß schwelender Unmut in den eigenen Reihen in offenen Streit mündete. Ganz kurz ließ Wolfgang Schäuble gestern auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Edmund Stoiber erkennen, wie tief ihn das Dilemma verbittert. Natürlich müßten erst die Gremien entscheiden, und bei wichtigen Fragen werde ja auch immer Vertraulichkeit vereinbart: „Das aber heißt, das man eigentlich kaum mit sich selber reden darf.“ Da helfe nur „ein gewisses Maß an Gelassenheit“.

Ob das reicht? Unsicherheiten, die Schäuble bei der Führung der Partei hat erkennen lassen, haben nun bereits in der Fraktion Wirkung gezeigt – obwohl er die doch früher stets fest im Griff hatte. Etwa 50 CDU-Abgeordnete sprachen sich letzte Woche in Abwesenheit ihres Chefs beim Thema Staatsbürgerschaft für das Optiosmodell der FDP aus. Am Wochenende ließ nun auch Schatzmeister Matthias Wissmann, der auf der Fraktionssitzung nicht anwesend war, Sympathie für das Modell erkennen. „Wir sind zur Zeit dabei, uns in der Fraktion über das, was manche Diskussionskultur nennen, zu verständigen“, meinte Wolfgang Schäuble gestern lakonisch.

Sorgen darüber, daß einer ihn vom Thron stoßen könnte, muß sich der Partei- und Fraktionschef derzeit nicht machen. Niemand in der CDU zeigt Lust, in den kommenden Monaten eine Reihe von Wahlen bestehen zu müssen, die voraussichtlich eine Kette von Niederlagen sein werden. Aber im Windschatten eines angeschlagenen Vorsitzenden läßt sich gut Machtpolitik betreiben.

Am Rande der Strategiesitzung äußerte sich Wolfgang Schäuble jetzt zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen, wo die CDU „einen hervorragenden Wahlkampf führt und der Trend zu unseren Gunsten läuft“. Fast wörtlich so hat Helmut Kohl auch einmal geredet. Vor den letzten Bundestagswahlen.

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