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Virtuelle Seekrankheit

Zweite Bürgermeisterin Krista Sager steuert 7000 Container nach Malaysia  ■ Von Gernot Knödler

Krista Sager steht am Ruder und weiß nicht, was sie machen soll: Die grüne Hamburger Bildungssenatorin und Zweite Bürgermeisterin hat sieben Hebel zur Auswahl, links daneben einen tennisballgroßen Trackball und dazu noch einen Joystick. Während sie sich nicht entscheiden kann, rauscht die mit 7000 Containern beladene „Hamburg Sovereign“ volle Lotte in den malayischen Hafen Lahor. 350 Meter Schiff, 13 Meter Tiefgang und kaum Platz zum Manövrieren. Zum Glück ist mit Kapitän Hermann von Morgenstern ein Lotse an Bord, und so läßt Krista Sager die Finger artig von den Hebeln, auch wenn Schiff und Hafen bloß zum Cyber-space gehören.

Die Senatorin hat sich gestern bei „Issus“, dem Institut für Schiffsbetrieb, Seeverkehr und Simulation der Fachhochschule Hamburg, zeigen lassen, wie Kapitäne ausgebildet werden und wie Lotsen testen, ob auch die neueste Generation der großen Pötte in ihren Heimathafen paßt. Die Simulation des Hafens von Lahor wurde zum Beispiel im Auftrag Malaysias erarbeitet, um mögliche Schwierigkeiten beim Anlaufen des Kais vorhersagen zu können.

Die Brücke mit Krista Sager und der Presse drauf ist echt, alles was durch die Fenster zu sehen ist, wird dagegen per Computer auf eine halbkugelförmige Leinwand projeziert. Das Vorderschiff mit Tausenden virtueller Container hebt und senkt sich gemächlich, das Deck schwankt. Links, also backbord, kommen uns realistisch gestaltete Frachter entgegen. Steuerbord stehen zwei Ladebrücken: unser Liegeplatz. Der Pott muß gewendet werden. Kapitän Morgenstern stoppt die Maschinen und läßt eine der vier Schiffsschrauben rückwärts laufen. Es rumpelt im Schiff, ein Katzenauge, das von der Konsole baumelt, zittert, aber die Maschine bremst nicht so, wie sie soll. „Zwei Schekel zu Wasser und gleich hinterher den Backbord-Anker“, brüllt Morgenstern. Zum Glück täuscht der Blick aus der virtuell 39 Meter hohen Brücke gewaltig: Im toten Winkel vor dem Bug liegen 500 Meter. 50 Meter vom Kai kommt das Container-Schiff zum stehen.

Zur Feier der Rettung ordert Morgenstern stärkeren Seegang und Regen. Das Schiff ächzt. Im Vorraum erläutert FH-Präsident Rolf Dalheimer, daß der 28 Millionen Mark teure Simulator „eines der Top-Geräte auf der Welt“ ist. „Klingt überzeugend“, denkt der Reporter und wankt von dannen.

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