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Kondome und Convenience-Food

Zum zweiten Mal präsentiert sich die Naturkostbranche auf der Grünen Woche in einer eigenen Halle. 60 Prozent mehr Ausstellungsfläche als im Vorjahr  ■ Aus Berlin Eberhard Schäfer

Auf der Grünen Woche in Berlin machen sich die Öko-Anbieter breit. Über 70 Aussteller auf 1.500 Quadratmetern – das ist immerhin ein Plus von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr, als es zum ersten Mal einen Bio-Markt auf der Grünen Woche gab. An den blitzsauberen Ständen der Bio-Markt-Halle werden Marketing-Ideen verschiedenster Art feilgeboten. So wartet etwa die Firma Bio-Mann aus Mecklenburg mit Eiskrem aus garantiert 95 Prozent ökologischen Zutaten und nur mit echten Fruchtaromen auf – vielleicht schmeckt deshalb das Sanddorneis etwas lasch? Und die „Vollmond- Bier“-Brauer verkaufen nicht einfach Öko-Gerstensaft, sondern einen Schuß Esoterik und Erotik dazu: gebraut wird, warum auch immer, nur bei Vollmond, und ein Kondom gibt's auf Wunsch dazu.

Geradezu Revolutionäres ist von den einstigen Öko-Dogmatikern des Demeter-Verbandes zu vermelden. Der Trend heißt hier „Convenience“, sprich: Tiefkühl- Fertignahrung. „Man kann den Lauf der Zeit nicht aufhalten“, bekennt Friedrich Schüle, der gefrorene Lasagne in Demeter-Qualität produziert. „Die Leute arbeiten immer mehr, haben immer weniger Zeit zu kochen. Da wollen wir wenigstens ökologisch hochwertige Tiefkühlkost anbieten.“ Tiefkühlkost und Öko, geht denn das zusammen? Von wegen Energieverbrauch zum Beispiel? Die Lasagne aus Schüles Frostfabrik ist jedenfalls nicht übel, das Gemüse erstaunlich knackig – nur der anthroposophiegeschulte Esser fragt sich, ob die Bildekräfte der Pflänzlein nicht arg im Eis gelitten haben.

Trotz solcherlei Neuerungen geht es in der Bio-Markt-Halle vergleichsweise ruhig zu. Hallenmanagerin Karen Sondhof erklärt: „Letztes Jahr waren wir gleich hinterm Eingang, die Leute mußten zwangsläufig durch die Biohalle. Es war rappelvoll.“ 1998 war überdies das Debütjahr des Bio-Marktes, „sonst gab es nichts Neues. Die Medien haben sich auf uns gestürzt. Es sah manchmal aus, als sei die Grüne Woche ein Anhängsel des Bio-Marktes“, so Sondhof.

In diesem Jahr ist die Bio-Halle eine Sackgasse, in die sich der Besucherstrom nicht automatisch ergießt. Angenehm für jene, die sich hier in Ruhe umschauen wollen. Die einschlägigen Naturkostvermarkter wie Terra, Rapunzel oder Naturata haben reichlich Standfläche gebucht und bieten appetitlich Obst und Gemüse, Käse, Wurst und allerhand Leckereien dar. Daneben springen erstaunlich viele Bierbrauer auf den Bio-Zug, darunter das Brauhaus Riedenburg, dessen Pilsner weder pasteurisiert noch filtriert wird und deshalb nur acht Wochen haltbar ist.

Auch für Weinfreunde ist gesorgt. Die können sich am Stand des Ökowinzer-Verbandes Ecovin vom Qualitätssprung des Bio-Rebensafts überzeugen. Wein ist auch zu verkosten am Gemeinschaftsstand von Ungarn, Polen und Rußland, wo es außerdem Bienenwachskerzen, Kräuter und Säfte gibt. Gut vertreten sind auch Importeure mediterraner Delikatessen.

Für Urberliner gibt es Buletten – fleischlose vom Tofu-Hersteller Taifun. Sojabohnen aus Amerika sind nicht mehr koscher, seit dort fleißig genmanipuliert wird. Taifun verarbeitet jetzt nur noch Sojabohnen aus europäischer, selbst kontrollierter Produktion.

Lust am Genuß beherrscht die Szenerie. Ökologieverbände und Polit-Gruppierungen haben sich in Nischen zurückgezogen. Letzter Hüter des wahren Öko-Glaubens scheint Brotaufstrich-Mischer Bruno Fischer zu sein. Am Sonnabend ist sein Stand geschlossen. „Weil wir, wie die ersten Christen, den biblischen Sabbat feiern.“

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