Mach's noch einmal, Bibi!

Israels Regierungschef Netanjahu tritt bei den Wahlen erneut an. Bisher halten alle Parteien geheim, wie sie ihre schönen Versprechungen umsetzen wollen  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Israels amtierender Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist auch der Likud-Kandidat für die Wahlen am 17. Mai. Mit der überzeugenden Mehrheit von 82 zu 17 Prozent gegen seinen Herausforderer und ehemaligen Mentor Mosche Arens wurde „Bibi“ Netanjahu gestern auf den Schild gehoben. Netanjahu sprach von einem „überwältigenden Sieg“, der weniger ihm persönlich gelte als der Politik, die er verfolge.

Grund zum Jubeln hat er aber nur bedingt. An der Abstimmung nahmen nur ein Drittel der knapp 170.000 Likud-Mitglieder teil. Ein Likud-Abgeordneter erklärte dies damit, daß der Wahlausgang schon vorab festgestanden habe. Dennoch hatten selbst führende Likud- Funktionäre am Vorabend noch eine Beteiligung von nahezu 50 Prozent der Mitglieder erwartet.

Nach der Wahl mimte Netanjahu den Seriösen. So hielt er sein früheres Angebot aufrecht, seinem Herausforderer das vakante Amt des Verteidigungsministers anzubieten. Arens wird dieses Angebot wohl annehmen. Er ließ keinen Zweifel daran, daß er Netanjahu bei den kommenden Wahlen seine uneingeschränkte Unterstützung geben werde. Warum er überhaupt gegen Netanjahu angetreten ist, dürfte das Geheimnis von Mosche Arens bleiben.

Der derzeit populärste Herausforderer Netanjahus präsentierte am Wahlabend des Likud seine Jungfernrede. Jitzhak Mordechai, offiziell ernannter Kandidat der Zentrumspartei für das Amt des Ministerpräsidenten, versprach einen „wahren Frieden“ zwischen Israel und seinen Nachbarn. Die Zentrumspartei werde sich einem „territorialen Kompromiß“ auf den Golan-Höhen nicht verweigern, sagte er. Diese euphemistische Umschreibung für Israels völkerrechtswidrigen Anspruch auf einen Teil der Golan-Höhen dürfte weder die Syrer noch die Libanesen beeindrucken.

Mordechai blieb wie sein „Vorsprecher“ in der Partei, Amnon Lipkin-Schahak, programmatisch äußerst vage. Er strebe ein Abkommen mit den Palästinensern an, sagte er, eine Reduzierung der Gewalt in der Familie und im öffentlichen Leben, ein besseres Transportsystem, natürlich Vollbeschäftigung bei freier Marktwirtschaft, die Gleichberechtigung aller Bürger, Minderheiten eingeschlossen, kostenlose Erziehung und Ausbildung aller Kinder vom dritten Lebensjahr bis zum Abitur, soziale Sicherheit mit Schwerpunkten im Gesundheitswesen, der Altersversorgung und dem Wohnungsbau. Mit einem Wort, ein israelisches Paradies auf Erden.

Keine Partei hat bislang auch nur ein Wort darüber verlauten lassen, wie sie ihre vollmundigen Versprechungen in die Tat umsetzen oder gar finanzieren will. Zieht man in Betracht, daß fast 40 Parteien für die Knesset kandidieren und laut Wahlprognosen sogar 20 von ihnen die Chance haben, tatsächlich Vertreter ins Parlament zu schicken, dann dürfte das mutmaßliche „Paradies auf Erden“ eher zu einem Wirrwar von Stimmen und Interessen mutieren. Und das unabhängig davon, ob der nächste Ministerpräsident Netanjahu, Barak, Mordechai, Begin oder ganz anders heißen wird. Kommentar Seite 12