: Europa – ein Windmärchen
■ Ein Quotenmodell könnte die Windkraftbranche unter Druck setzen
Irgendwie paßt das nicht zusammen: Da machen sich in Brüssel einige Beamte Gedanken über die Zukunft der Alten Welt. Zumindest konnte man sich eine zeitlang an deren energiepolitischen Visionen orientieren, ja, sogar Zweckoptimismus machte sich in Deutschland vor allem bei den Windmüllern breit. Die Brüsseler haben das Wachstumspotential, das in den regenerativen Energien steckt, voll erkannt – hieß es. Und in Deutschland tobte derweil die atomarfossile Lobby. Die „Elektriker“ von PreussenElektra, RWE und Bayernwerk – nur stellvertretend für alle anderen – wurden nicht müde, vor allem die Windmüller systematisch unter Druck zu setzen. Mal wurde geklagt, dann auch mal wieder ein Netzanschluß sabotiert, hier und da mal eine Baugenehmigung verzögert, dann erfolgten die Zahlungen der Stromeinspeisungsvergütung nur unter Vorbehalt, links und rechts tauchten verschreckte selbsternannte Landschaftsschützer auf.
Und trotzdem ging es bergauf mit der Windenergie, und die Deutschen sind Windweltmeister des Jahres 1998: Die rund 6.000 Windräder mit knapp 3.000 Megawatt installierter Leistung haben umweltfreundlichen Strom für 1,5 Millionen Haushalte produziert. Das schmeckt RWE & Co. überhaupt nicht. Was sie in Bonn nicht kippen konnten, versuchen sie jetzt mit aller Gewalt über die Brüsseler Schiene. EU-Recht bricht bekanntlich nationale Regelungen – und so manchem Ökostromer vielleicht das Genick. Und so sieht der Plan der Generaldirektion 17 aus: Bis zum 31. Dezember 2005 sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, daß wenigsten fünf Prozent des gesamten auf ihrem Territorium verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Der Haken: Überall dort, wo in Europa Quotenmodelle existieren, ist der Ausbau der Windenergie extrem schwach geblieben. Während in Deutschland allein 1998 rund 485 Megawatt Windkraftleitung hinzukamen – in Dänemark 184 und in Spanien 78 MW –, sind die typischen Quotenländer Großbritannien (13 MW), Irland (22 MW) und Frankreich (9 MW) statistisch kaum erwähnenswert. Das von Brüssel entwickelte Quotensystem wird, wenn es denn in der vorgesehenen Form kommen sollte, den kometenhaften Aufstieg der Windenergie abbremsen und vor allem zu einer Verdrängung der unabhängigen Stromerzeuger, also der Windmüller und Bürgerwindpark-Gemeinschaften, führen. Kein Wunder, daß PreussenElektra-Chef Hans- Dieter Harig den Quotenvorstoß der Kommission begrüßt. Ganz anders die Einschätzung beim Bundesverband Windenergie (BWE). Das Einspeisungsgesetz habe sich bewährt, heißt es in der Osnabrücker Zentrale. „Warum wird denn nicht über eine Quote für fossile Energien laut nachgedacht“, fragt sich BWE-Geschäftsführer Heinrich Bartelt. Eine Quote für regenerative Energien laufe immer auf eine Begrenzung hinaus. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Strommanager Harig mit dem Vorschlag der EU- Beamten so gut leben kann. Ein weiterer Haken bei dem Brüsseler Entwurf: Die Stromerzeugung aus Müllverbrennung soll bei der Quotenerfüllung berücksichtigt werden. Bartelt befürchtet, daß die Energiekonzerne alles daransetzen, die von Brüssel vorgegebenen Mindestquoten mit „Müllstrom“ zu erfüllen: „Dann würden die echten Alternativenergien vom Markt gedrängt, und die Stromkonzerne könnten ihre Müllöfen auch noch mit einem ökologischen Etikett versehen.“ Michael Franken
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