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Serbiens Kampf gegen den Imperialismus

Hinter Belgrads Ablehnung von Verhandlungen über den Kosovo verbirgt sich eines der üblichen Pokerspiele von Präsident Milošević. Dabei profitiert das Regime auch vom Streit der Kosovo-Albaner  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft dem Blutvergießen im Kosovo endlich ein Ende zu setzen, nimmt in Serbien niemand besonders ernst. Nachrichten über Tote in der Provinz sowie Drohungen der Nato regen kaum jemanden auf. Und die Information, daß dieser Tage Amerika, Rußland und die EU über das Schicksal des Kosovo entscheiden werden und daß Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević zwischen der Kapitulation seiner zehnjährigen Politik in der zu 90 Prozent von Albanern bewohnten Provinz und Militärschlägen der Nato wählen muß, dringt durch die gleichgeschalteten Medien nicht in die Öffentlichkeit durch.

So sind Theorien über die von Amerika eingefädelte Weltverschwörung gegen Serbien weiter in Mode. Durch die Nato erpreßten die USA die Welt, um ihren Anteil auf dem Weltmarkt zu vergrößern, erklärte die mitregierende Partei „Jugoslawische Linke“. Man habe durchschaut, daß es im Kosovo nur darum gehe. Serbien werde diesem imperialistischen Druck nicht nachgeben. Mit patriotischen Sprüchen geben sich Vertreter der jugoslawischen Regierung selbstsicher. „Serbien wird niemals zulassen, daß abgebrühte albanische Mörder und ihre westlichen Mentoren die serbische Innenpolitik gestalten“, verkündete die regierende „Serbische Radikale Partei“. Serbien sei für Verhandlungen, doch ausschließlich auf serbischem Boden, und keinesfalls mit der terroristischen „Kosovo-Befreiungsarmee“ (UCK). Die einzige Lösung der Kosovo-Krise sei die „Ausrottung des albanischen Terrorismus und Separatismus“.

Das serbische Regime geht davon aus, daß die Nato keine Bodentruppen in den Kosovo entsendet und daß ein Luftangriff allein auf Stellungen der jugoslawischen Armee sinnlos wären. Die OSZE- Beobachter müßten dann evakuiert werden, die UCK würde die Nato als die eigene Luftwaffe ausnützen, und diese Chance für eine Offensive gegen die serbischen Streitkräfte nutzen. Und das wäre der Auftakt für eine offene Auseinandersetzung und ungezügeltes Blutvergießen. „Ausländische Analytiker schätzen, daß es in diesem Falle bis zu 500.000 Tote im Kosovo geben könnte“, erklärte der jugoslawische Verteidigungsminister Pavel Bulatović mahnend, betonte aber, daß Serbien jederzeit bereit sei, über eine Autonomie des Kosovo zu verhandeln.

Beobachter in Belgrad gehen davon aus, daß Milošević erst die Situation bis zum Äußersten zuspitzen wird, um im letzten Augenblick doch noch ein Team zu den von der Kontaktgruppe initiierten Verhandlungen zu schicken. In diesem Fall dann ist der Schwarze Peter bei den Kosovo-Albanern.

Und die sind sowohl gegen eine Autonomieregelung für den Kosovo als auch untereinander zerstritten. „Wir können nur Gespräche über ein unabhängiges Kosovo unterstützen“, erklärte Adem Demaci, der politische Vertreter der UCK. Demaci weiß, daß die internationale Gemeinschaft über keine Druckmittel auf die UCK verfügt und daß Friedensverhandlungen ohne die UCK sinnlos sind. Unter Druck steht nur der gewählte Präsident der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova: Wenn er Verhandlungen über die Autonomie des Kosovo ablehnt, verliert er die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Und wenn er sich darauf einläßt, wird er von der UCK als Verräter gebrandmarkt. Gestern machte er sich bereits unbeliebt: Er wolle mit einem Alleinvertretungsanspruch zu den Verhandlungen fahren.

„Ich vertrete alle Bürger des Kosovo“, sagte Rugova, es gebe aber auch Platz für andere Strukturen. Unklar ist, ob die Albaner ein Verhandlungsteam zustandebringen. „Die Albaner sind der irrationalen kommunistischen Logik verfallen, daß es nur eine charismatische Person, geben kann, um die sich alle sammeln“, erklärte Mahmut Bakali, bis Mitte der 80er Jahre Chef des kosovarischen Bundes der Kommunisten. „Eine solche Kraft gibt es heute im Kosovo nicht.“

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