: Ein Katz-und-Maus-Spiel im Kosovo
Die serbische Regierung und die Kosovo-Albaner lassen sich mit ihrer Antwort auf die Forderungen der Kontaktgruppe Zeit. Keine Seite will vorschnell nein sagen. Milošević' Kalkül könnte aufgehen ■ Aus Genf Andreas Zumach
Im Kosovo-Konflikt hat am Wochenende das schon aus Zeiten des Bosnien-Krieges sattsam bekannte Katz-und-Maus-Spiel der gegnerischen Parteien begonnen: Jede Seite macht Zeitpunkt und Inhalt ihrer Reaktion auf die am Samstag von Großbritanniens Außenminister Robin Cook übermittelten „ultimativen“ Forderung der Balkan-Kontaktgruppe abhängig vom Verhalten der anderen Seite. Denn schlechte Karten hat, wer als erster nein sagt oder seine Teilnahme an den für spätestens kommenden Samstag geplanten Direktverhandlungen in Frankreich an Bedingungen knüpft, die für die Kontaktgruppe unakzeptabel sind.
Auch diesmal hält der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević das bessere Blatt in der Hand. Mit seiner ersten Reaktion — „erhebliche Bedenken“ gegen den Verhandlungsort Frankreich, aber „Prüfung“ der Forderung der Kontaktgruppe und Zusage einer „Antwort so schnell wie möglich“ — beruhigte der starke Mann in Belgrad die nationalistischen Scharfmacher in der serbischen Regierung. Zugleich hält sich Milošević alle Optionen offen.
Zunächst kann er darauf setzen, daß die Kontaktgruppe von der albanischen Seite kein eindeutiges, bedingungsloses „Ja“ erhält. Zwar erklärte Albaner-Präsident Ibrahim Rugova gestern seine Bereitschaft zur Teilnahme an der Klausur in Frankreich. Rugovas Begründung: das von der Kontaktgruppe angestrebte Verhandlungsergebnis einer auf drei Jahre befristeten weitgehenden Autonomieregelung für den Kosovo mit anschließenden Referendum über die weitere Zukunft der südserbischen Privinz sei ein „notwendiger Schritt zur Erlangung der völligen staatlichen Unabhängigkeit“.
Doch seitens der Kosovo-Befreiungsarmee UCK, die die sofortige Unabhängigkeit des Kosovo fordert und bislang Verhandlungen über eine Autonomie abgelehnt hat, gab es bis gestern keine Anzeichen für ein Eingehen auf die Forderungen der Kontaktgruppe. Sollte sich daran bis Ende der Woche nichst ändern, könnte Milošević ohne Risiko die Bereitschaft der Serben zur Teilnahme an der Klausur erklären und so international Pluspunkte sammeln.
Damit käme die Nato in die schwierige Lage, ihre militärischen Drohungen zur Durchsetzung der Forderungen der Kontakgruppe gegenüber der UCK umsetzen zu müssen. Doch Angriffe gegen die Guerilla wären noch schwieriger und von den politischen Folgen her noch fragwürdiger, als die bislang erwogenen Bombardements von Stellungen der serbischen Streitkräfte. Ganz abgesehen davon, daß sich auch für Angriffe gegen die UCK die weiterhin in der Nato umstrittene Frage der völlkerrechtlichen Zulässigkeit militärischer Maßnahmen ohne UNO- Mandat stellt. Und Nato-Angriffe sind undenkbar, solange sich die knapp 1.000 OSZE-Beobachter im Kosovo befinden.
Aus diesen Gründen dürfte es auf beide Konfliktparteien kaum Eindruck gemacht haben, daß die Nato am Wochenende ihre Drohgebärde verschärft hat. Generalsekretär Janvier Solana wurde vom Nato-Rat ermächtigt, ohne einen weiteren formellen Beschluß dieses Gremiums in den nächsten Tagen Luftangriffe anzuordnen, um eine fristgemäße Teilnahme beider Seiten an der Klausur in Frankreich zu erzwingen.
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