: Schotten ohne Karos
■ No Dudelsack, please: In London spielt die Acid-Folk-Band Shooglenifty schon mal im Techno-Club, jetzt touren sie erstmals durch Deutschland
Am Baß erkennt man die 90er Jahre. Wenn der Tieftöner eigene groovende Linien zieht und aus dem Schatten der Gitarre tritt, dann ist das ein klares Indiz für Dancefloor-Tauglichkeit – auch im modernen Folk. Bei der Band Shooglenifty aus Schottland ist das Bass-comes-first-Prinzip besonders deutlich. In enger, schwarzer Lederhose stolziert Bassist Conrad Ivitsky über die Bühne und weiß, daß er der Frauenschwarm ist. Gitarrist Malcolm Crosbie dagegen ist ein unscheinbarer Typ, der bescheiden und introvertiert in seiner Ecke stehen bleibt. Das ist kein Folk- Rock mehr.
Shooglenifty sind „Scotland's sexiest sound“, wie das Management sie anpreist. Derzeit touren sie mit dem „Scottish Folk Festival“ in Deutschland. Ihre erste deutsche Tour, das verwundert. Denn in dem Teil der Folkszene, der nicht in den 70ern stehengeblieben ist, gelten die Schotten schon lange als das ganz große Ding. Mit Geige und Mandoline als Melodieinstrumente spielen sie eine Art Tunes 'n' bass. Auf den Dudelsack wird verzichtet – Banjo, Gitarre, Baß und Schlagzeug unterfüttern die komplexen und oft hypnotischen Kompositionen.
Der Acid-Folk von Shooglenifty ist dabei durchaus von Techno und anderer elektronischer Tanzmusik inspiriert. „Bei uns kommen die Loops aber nicht vom Band, sondern werden von Menschen gespielt“, betont Gary Finlayson, der Banjo und Banjax spielt. Das Banjax ist ein selbstentwickeltes elektronisches Five-string-Banjo. Auf der zweiten CD „A whiskey Kiss“, die in einem alten Landhaus aufgenommen wurde, arbeitete die Band auch viel mit Raumeffekten. So wurde die Schlagzeugspur bei manchen Stücken in einer engen Toilette aufgenommen.
Es dürfte kaum mehr lange dauern, bis die sechs Schotten einen Major-Vertrag unterzeichnen und dann wirklich groß rauskommen. Heute müssen sie ihr Geld vor allem beim Touren verdienen – was aber kein großes Problem ist, da sie eine ausgesprochene Live-Band sind. Als Shooglenifty letztes Jahr im Opernhaus von Sydney spielten, war die Stimmung so gut, daß das Publikum zum ersten Mal in der Geschichte des Hauses die geräumige Bühne stürmte, um dort zu tanzen. In Deutschland haben sie es etwas schwerer, denn der Tour- Rahmen des Scottish Folk Festivals ist eher betulich. Schon das Plakat mit einem Dudelsackspieler im Kilt zielt auf ein Publikum, das eher an schlichter Folklore als an hippem Hypno-Folk interessiert ist. Die zweiten Stars des Abends sind Deaf Shepard, eine bei aller Spielfreude recht brave Band, die rein akustisch auftritt.
Ökonomisch ist das Konzept des Scottish Folk Festivals aber durchaus erfolgreich. Säle mit tausend bis zweitausend (Sitz!-)Plätzen werden spielend gefüllt. Das Publikum, etwa in der Stuttgarter Liederhalle, ist altersmäßig bunt gemischt, viele kommen jedes Jahr zu diesem tourenden Festival. Es sind RentnerInnen da, aber auch viele Zwanzigjährige. Nicht zu sehen waren allerdings Hippies und VertreterInnen der Party-Szene. Doch Shooglenifty, die mitunter schon in Londoner Techno-Clubs spielten, machten keine musikalischen Kompromisse: Shooglenifty wurde nicht zu „Schunkelnifty“.
Der Bandname hört sich für Schotten weniger albern an: er bedeutet in etwa „flinkes Wackeln“, eine Tanzbewegung. Soweit wollte das Publikum in der Liederhalle dann doch nicht gehen, es wurde nur stehend mitgeklatscht. Immerhin. Christian Rath
Tour: 5.2. Marburg, 6.2. Marktredwitz, 7.2. Berlin, 9.2. Frankfurt, 10.2. Bremen, 11.2. Hamburg, 13.2. Wernesgrün
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