: Gut gerüstet in Nordirland
■ Statt ihre Waffen endlich auszumustern, stocken Konfliktparteien die Arsenale auf
Dublin (taz) – Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat vorgestern abend erstmals eingeräumt, daß Dissidenten sich einiger Waffenlager bemächtigt hätten, bevor sie die Organisation verlassen und die „Real IRA“ gegründet hätten. Einen Teil der Waffen habe man zurückgeholt, die Suche nach den übrigen Waffen gehe weiter. Vermutlich steht die Entführung des ehemaligen IRA- Mannes Paddy Fox in diesem Zusammenhang. Er wurde am Sonntag neun Stunden von der IRA verhört und dann freigelassen.
Die loyalistische Ulster Volunteer Force (UVF) hat unterdessen erklärt, daß sie ihr Waffenarsenal aufgestockt habe sowie verstärkt Mitglieder rekrutiere. Unter anderem habe sie sich eine Panzerfaust besorgt. David Ervine vom politischen UVF-Flügel versuchte, die Sache herunterzuspielen: Die UVF drohe nirgendwo mit Gewalt oder dem Ende ihres Waffenstillstands. Sein Stellvertreter Billy Hutchinson hatte jedoch vor zwei Wochen prophezeit, daß die UVF künftig „Touristen und Rinder“ in der Republik Irland töten werde, falls der Friedensprozeß scheitere.
Die UVF hat außerdem zugegeben, daß sie in den vergangenen Wochen eine Reihe von „Strafaktionen“ ausgeführt habe. Zwar ist es ein offenes Geheimnis, daß paramilitärische Organisationen beider Seiten an solchen Aktionen beteiligt sind, aber bisher hatte sich niemand offiziell dazu bekannt. Allein im Januar wurden 41 Menschen zusammengeschlagen oder durch Schüsse verletzt.
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) will die Situation in Nordirland untersuchen und eine Delegation entsenden. Der Unionistenchef und designierte nordirische Premierminister David Trimble, der ai Anfang der Woche angeblich um eine solche Untersuchung gebeten hatte, sagte gestern, er sei „über die positive Antwort erfreut“.
Amnesty widersprach Trimbles Darstellung: Die Organisation habe Trimble im vergangenen Juli über die Untersuchung informiert und um ein Treffen ersucht. Der Unionistenchef habe nicht reagiert. Amnesty will die Untersuchung nicht auf die „Strafaktionen“ beschränken, sondern auch Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte miteinbeziehen.
Trimble weigert sich nach wie vor, den politischen IRA-Flügel Sinn Féin in die Allparteienregierung aufzunehmen, solange die IRA nicht mit der Ausmusterung der Waffen begonnen hat. Die Frist für die Regierungsbildung läuft am 10. März ab. Die britische Nordirland-Ministerin Marjorie Mowlam sagte: „Mit Entschlossenheit, Phantasie, Flexibilität und Mut schaffen wir es.“
Ralf Sotscheck Kommentar Seite 12
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