Selbstbewußt zur Konferenz

Über eine Teilnahme an den Kosovo-Friedensverhandlungen sind sich die Serben einig. Doch den Vorgaben der Kontaktgruppe beugen will sich Belgrad keinesfalls  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

„Amerika will das serbische Volk und den serbischen Staat vernichten!“ donnerte Radikalenführer Vojislav Šešelj gestern im serbischen Parlament. Das beweise auch das Papier der Balkan-Kontaktgruppe über den Kosovo. Die Gruppe betreibe eine „antiserbische“ Politik und unterstütze die „albanischen Terroristen“. Die Radikalen seien gegen eine Teilnahme Serbiens an der Friedenskonferenz über die Zukunft des Kosovo auf „feindlichem, ausländischem Territorium“, würden jedoch die Entsendung eines serbischen Verhandlungsteams nicht verhindern.

Daß die Nato ein „Knüppel“ in den Händen der Weltmächte sei, Serbien eine unglaubliche „Ungerechtigkeit“ im Kosovo angetan werde und daß sich die Serben der „Weltverschwörung“ nicht beugen und wenn nötig für ihre Freiheit kämpfen würden – darin waren sich gestern mehr oder weniger alle Abgeordneten einig. Dennoch verstiegen sich einige vereinsamte Abgeordneten während der im staatlichen Fernsehen live übertragenen Debatte auch zu kritischen Äußerungen über Jugoslawiens Präsidenten Slobodan Milošević und seine Verantwortung für den unhaltbaren Zustand im Kosovo. Dann schaltete sich sofort ein Ansager ein und übertönte die kritischen Worte.

Eins stand bereits gestern mittag fest: Zwar werden Serbiens Vertreter an der Friedenskonferenz über die Zukunft des Kosovo teilnehmen. Doch die ultimative Vorlage der Kontraktgruppe für eine Lösung der Krise in der südserbischen Provinz in der vorgelegten Form nicht akzeptieren. Allein die Tatsache, daß Serbien gleichberechtigt mit Vertretern der „Kosovo-Befreiungsarmee“ (UCK) verhandeln muß, empfindet das serbische Regime als Deasaster und tragische Erniedrigung unter dem Druck der Nato.

Und so wurde das serbische Verhandlungsteam beauftragt, im Schloß Rambouillet in der Nähe von Paris „eisern“ darauf zu bestehen, daß der Kosovo weder die Unabhängigkeit noch den Status der dritten Republik in der Bundesrepublik Jugoslawien erhält und daß die internationale Gemeinschaft „schärfstens den albanischen Terrorismus verurteilt“. Eine Stationierung von Bodentruppen der Nato im Kosovo, die die Umsetzung eines eventuellen Friedensabkommen überwachen soll, komme unter gar keinen Umständen in Frage, ließ die Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Gorica Gajević, wissen. Ebenso nicht, daß die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Wahlen im Kosovo nach einer Übergangsphase organisiert.

„Wehe, wenn unsere Vertreter in diesen Punkten nachgeben“, erklärte Tomislav Nikolić, Vizepräsident der extrem nationalistischen „Serbischen Radikalen Partei“ (SRS) und rief das serbische Verhandlungsteam auf, keine Angst vor der Nato zu haben. Wenn es sein müsse, sollten die serbischen Vertreter die Konferenz mit „erhobenem Haupt“ verlassen.

Slobodon Milošević hat dafür vorgesorgt, die Verantwortung für die Kosovo-Verhandlungen nicht allein tragen zu müssen. In die Bundesregierung hat er die „Serbische Erneuerungsbewegung“ und ihren Chef, den monarchistischen Wirrkopf, Vuk Drasković eingebunden. Drasković hält zwar die Bedingungen für die Konferenz für ungerecht, setzt sich jedoch für die Teilnahme ein, um die „serbische Wahrheit“ der Welt darzustellen. Wenn die Konferenz negativ für Serbien ausgehen sollte, wäre Drasković der Sündenbock.

Im serbischen Parlament sind wiederum die Radikalen die Koalitionspartner der Milošević-Sozialisten. Radikalenführer Seselj ist Draskovićs Erzfeind. Sollte Milošević die Kröten doch nicht schlucken können und das serbische Verhandlungsteam abberufen, wäre Seselj verantwortlich für die Reaktion der Nato.