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Der alte König hinterläßt ein Vakuum

Fast ein halbes Jahrhundert lang regierte König Hussein Jordanien. Seinem Nachfolger Abdallah wird es schwerfallen, das Gleichgewicht zwischen Innen- und Außenpolitik zu halten. Sogar der Ruf nach einem Ende der jordanischen Monarchie wurde schon laut  ■ Von Karim El-Gawhary

Man stelle sich die Ära Helmut Kohl vor und multipliziere sie mal drei. Dann bekommt man eine vage Ahnung, was der gestrige Tod des Monarchen bedeutet, der fast ein halbes Jahrhundert die Politik seines Landes bestimmt hat. König Hussein war Jordanien, und Jordanien war König Hussein. Selbst für jene, die nicht mit seiner Politik übereinstimmten, ist es schwer, sich eine Post-Hussein-Ära vorzustellen. Jordanien fällt in ein psychologisches Vakuum.

Derweil ist zumindest personell die Nachfolge klar geregelt. Der von König Hussein erst vergangene Woche ernannte älteste Sohn und Kronprinz Abdallah wird in Zukunft die Geschicke des Landes führen – zumindest so gesehen ein unkomplizierter Übergang.

Aber politisch ist der König in spe, Abdallah, anders als der letzte Woche gefeuerte jüngere Bruder und ehemalige Kronprinz Hassan, eine unbekannte Größe. Bisher hat sich Abdallah nur in seiner militärischen Karriere hervorgetan. Sein Lebenslauf ist der eines im britischen Sandhurst ausgebildeten Offiziers, der verschiedenen Teilen der jordanischen Armee und des Sicherheitsapparates gedient hat. Politisch ist der 37jährige ein Grünschnabel.

Doch die auf ihn zukommenden Probleme sind immens. Der von König Hussein vor fünf Jahren unterzeichnete Friedensvertrag mit Israel ist unpopulär geblieben. Vergeblich warteten die Jordanier bisher auf Milch und Honig, die ihnen bei der Unterzeichnung versprochen worden waren. Vielfach wurde der Friedensvertrag in den letzten Jahren nur durchgesetzt, weil sich der in weiten Teilen der jordanischen Bevölkerung relativ populäre König Hussein mit aller Kraft dahinterstemmte. Dem politischen Leichtgewicht Abdallah könnte demnächst in Sachen Israel innenpolitisch ein schärferer Wind entgegenwehen, vor allem wenn bei den nächsten israelischen Wahlen im Mai erneut die Hardliner rund um Benjamin Netanjahu das Rennen machen.

Auch Jordaniens anderer Nachbar, der Irak, könnte dem neuen Herrscher schnell Kopfzerbrechen bereiten. Während des Golfkrieges hatte sich König Hussein nicht zuletzt aufgrund des Druckes der Straße auf die Seite Saddam Husseins geschlagen. Seine Popularität im eigenen Lande war über Nacht angeschwollen, vom Westen wurde er hingegen geschnitten. Vor vier Jahren vollzog Hussein dann wieder eine Kehrtwende und wandte sich öffentlich erneut vom irakischen Diktator ab.

Seitdem hat die jordanische Monarchie wieder ein Problem mit der eigenen Bevölkerung. Wann immer die USA zum Mittel von Militäraktionen im Irak greifen, kommt es in Jordanien zu großen Pro-Irak-Demonstrationen und häufig sogar zu kleineren Aufständen. Nur mit massiver Polizeigewalt konnten sie unter Kontrolle gebracht werden. Ob Abdallah dieselbe Distanz zu Saddam Hussein halten kann wie sein Vater, bleibt offen. Außenpolitisch wäre das geboten, innenpolitisch könnte es zum Desaster werden.

Auch wirtschaftlich stehen Abdallah keine leichten Zeiten bevor. Nachdem sich die Krebskrankheit König Husseins herumgesprochen hatte, fürchteten die Jordanier um die Stabilität ihres Dinars. Viele tauschten ihre Ersparnisse in Dollar. Die Zentralbank in Amman mußte fast ein Viertel ihrer Währungsreserven einsetzen, um den Dinar stabil zu halten – Geld, das woanders dringend nötig gewesen wäre. Ein Viertel des Staatshaushaltes geht derzeit für den Schuldendienst drauf. Abdallah muß die Stabilität unter Beweis stellen, um das Vertrauen in die Währung wiederherzustellen.

Mehrere jordanische Oppositionelle riefen schon während König Husseins Krankheit nach einer Veränderung der Verfassung: Die Monarchie solle eingeschränkt werden. Die ehemalige Parlamentsabgeordnete Toujan Al-Faisal ging sogar so weit, eine Republik vorzuschlagen — eine zuvor undenkbare Forderung.

Wenn Abdallah nicht zur gleichen Institution wie sein Vater wird, dann könnten sich allerdings noch mehr Jordanier fragen, ob es tatsächlich gottgegeben ist, daß die großen politischen Entscheidungen ihres Landes immer nur im kleinen Rahmen des haschemitischen Familienclans gefällt werden.

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