: Zivilcourage bestraft
Gründerin der Passauer Aktion Zivilcourage wird wegen der Blockade einer NPD-Versammlung zu Geldstrafe verurteilt ■ Von Bernd Siegler
Nürnberg (taz) – Nun hat es die Passauer Justiz doch noch geschafft: Das Amtsgericht verurteilte die Rechtsanwältin Eleonore Stern wegen „Aufforderung zur groben Störung einer nicht verbotenen Versammlung“ zu einer Geldstrafe von 800 Mark. Stern hatte die „Passauer Aktion Zivilcourage“ (PAZ) als ein Bündnis von Einzelpersonen ins Leben gerufen und für eine von 2.000 Menschen getragene Blockadeaktion verantwortlich gezeichnet. Die Aktion hatte sich am 7.Februar letzten Jahres gegen einen von der NPD in der Nibelungenhalle durchgeführten „Tag des nationalen Widerstands“ gerichtet. Die NPD hatte sich bei Stern mit einer Anzeige wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung revanchiert.
Die Passauer Staatsanwaltschaft blieb ebenfalls nicht untätig. Sie leitete insgesamt 60 Ermittlungsverfahren gegen Unterstützer der PAZ-Aktion wegen „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“ ein. Übrig blieb nur das Verfahren gegen Stern, die auf zahlreichen Flugblättern und Plakaten als Kontaktadresse der PAZ fungierte. Obwohl über 2.000 Bürger mit ihrer Unterschrift zur Hallenblockade aufgerufen hatten, konzentrierte sich das staatsanwaltschaftliche Interesse auf die Rechtsanwältin. Nur ihr sei es konkret nachzuweisen, daß sie tatsächlich zur Blockade aufgerufen habe. Die gewaltfreie Blockade der Eingänge der Nibelungenhalle wertete Oberstaatsanwalt Huber als „grobe Störung einer Versammlung“. Es erging ein Strafbefehl über 60 Tagessätze à 80 Mark.
Vor Gericht machte sich nun Amtsrichter Hammer, der der angeklagten Rechtsanwältin ein „mangelndes Standesbewußtsein“ vorwarf, die Argumentation der Staatsanwaltschaft zu eigen. Ein Sich-in-den-Weg-Stellen stellte er auf eine Stufe mit einem gewalttätigen Vorgehen gegen Versammlungen. Beides diene dem Ziel, diese zu vereiteln und sei daher strafbar. Hammer weigerte sich jedoch, den Begriff der „groben Störung“ präzise zu definieren und schmetterte alle entsprechenden Anträge von Sterns Verteidiger ab. Zugleich kritisierte er die Weigerung der Staatsanwaltschaft, nach dem Grundsatz der rechtlichen Gleichbehandlung auch die restlichen Unterstützer der Blockadeaktion wegen „Aufforderung zu Straftaten“ zu belangen.
Da die PAZ auch im September letzten Jahres zur Blockade einer DVU-Versammlung in der Nibelungenhalle aufgerufen hatte, laufen gegen Stern derzeit 15 weitere Ermittlungsverfahren. „Was von der Glaubwürdigkeit öffentlicher Forderungen nach Zivilcourage und ,Eingreifen statt Zuschauen‘ zu halten ist, mag sich jeder und jede selbst zusammenreimen“, kommentiert die PAZ das Vorgehen der Justiz.
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