: Fraktionsfinanzen ohne Transparenz
■ Petitionsrechts-Verein moniert undurchschaubares Wachstum der Fraktionsfinanzen / Schallmauer von zehn Millionen wird durchbrochen / Fraktionen bewilligen Mittel selbst
„Entscheidende dürfen kein Eigeninteresse am Ergebnis der Entscheidung haben.“ Das ist ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, der zum Beispiel die Befangenheit in den Gremien der Bremischen Bürgerschaft regelt. Dieses scheinbar selbstverständliche Prinzip gilt in einem sensiblen Bereich nicht: bei der Fraktionsfinanzierung.
Wenn schon die Abgeordneten über die Fraktionsmittel und die Fraktionsvorstände über die Fraktionsvorstandsbezüge entscheiden, sollte der Haushalt der Fraktionen zumindest transparent sein, fordert die „Vereinigung zur Förderung des Petitionsrechts in der Demokratie“ und wandte sich mit dem Thema an den Petitionsausschuß der Bremischen Bürgerschaft.
Zum Beispiel gibt die Fraktion der SPD etwa 350.000 Mark im Jahr aus für „Vergütungen für Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Aufgaben in der Fraktion“, bei der CDU sind das sogar 380.000 Mark. Was sich hinter dem Titel versteckt, kann man nur vermuten: Die Aufstockung der Bezüge für die Vorsitzenden, eventuell auch Zulagen für Deputations- und Ausschußvorsitzende. Offensichtlich entlohnen die größeren Fraktionen ihre Vorsitzenden mit einem Senatorengehalt. Seit 1991 schmort eine Klage beim Bundesverfassungsgericht, in der die Legitimation dieser Zulagen überhaupt angezweifelt wird, die einige der Abgeordneten gleicher als gleich macht. Der Bremer Rechnungshof hatte schon 1994 kritisiert, daß die Höhe der Zulagen „im Belieben der Fraktionen“ liege, und eine gesetzliche Regelung gefordert, die „für die Öffentlichkeit transparent“ sei. Solche Regelungen müßten die Fraktionen selbst beschließen – sie haben daran kein Eigeninteresse.
Eklatant ist die fehlende Transparenz auch bei der Position „Ausgaben des laufenden Geschäftsbetriebes“. Hier verbraucht die CDU insgesamt pro Jahr ca. 750.000 Mark Staatsgelder, die SPD nur 480.000 Mark. Da der Posten nicht aufgeschlüsselt ist, lassen sich Gründe für den Unterschied nicht nachvollziehen. Vielleicht ist ja nur das CDU-Haus so teuer. Dort allerdings sind Parteizentrale und Fraktion der CDU unter derselben Adresse untergebracht, bei der SPD sind beide Adressen deutlich getrennt. Parteiarbeit darf aber nicht aus Fraktionsgeldern finanziert werden. CDU-Sprecher Guido Niermann, halb für die Fraktion und halb für die Partei angestellt, sagt auf die Frage nach einer Aufschlüsselung ganz klar: „Wir haben kein Interesse, die einzelnen Posten weiter offenzulegen.“
Er verweist auf die Kontrolle des Rechnungshofes. Der hat immer wieder bei seinen Prüfungen eine ganze Liste von Positionen moniert, prüft aber nur die Übereinstimmung der Ausgaben mit gesetzlichen Regelungen.
Der Petitionsrecht-Verein wirft weitergehende Fragen auf: Warum steigen die Ausgaben für die Fraktionen von 1996 (8,3 Millionen) auf 1997 (9,3 Millionen) so stark? Wenn diese Steigerungen so fortgesetzt worden sind – neuere Zahlen liegen nicht vor – dann dürfte in diesem Jahr die Schallmauer von 10 Millionen durchbrochen sein. Verantwortliche Parlamentarier hätten angesichts der Haushaltslage Bremens „die Steigerungsraten ihrer Fraktionsfinanzierung stärker abbremsen müssen“, schreibt der Petitionsrechts-Verein.
Der Petitionsausschuß der Bremischen Bürgerschaft hat in der vergangenen Woche zu dem Sachverhalt erklärt, er sei nicht zuständig für eine Beschwerde über die Fraktionsfinanzen. K.W.
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