Der Onkel kommt bei jedem Wetter

■ Jan Jakub Kolski erzählt sanft-ironisch die Geschichte eines Kinos im polnischen Popielawach

Die Suche nach den Anfängen des Kinos geht in die nächste Runde. Mit einer Zeitreise in die Jahre um 1860 räumt der polnische Filmer Jan Jakub Kolski mit allen Gewißheiten auf: Dreißig Jahre früher, als bisher angenommen, entstand der Prototyp des ersten Kinematographen, und zwar im polnischen Popielawach. In einem nämlich sind sich die großen Filmnationen, von den Franzosen mal abgesehen, einig: Die Frères Lumière können es nicht gewesen sein. Bei Kolski haben sie zumindest einen Kurzauftritt: Überglücklich, das Ding nicht selbst erfinden zu müssen, drücken die eitlen Städter der armen Witwe des wahren Erfinders einen Batzen Geld in die Hand und ziehen mit der Höllenmaschine von dannen. Wehte nicht der sanfte Atem der Ironie durch diese heitere Erzählung, man könnte es nicht ertragen.

In der sechsten Generation sind die männlichen Sprößlinge der Familie Andryszek beseelt von der Macht des Kinos, das mit Józef AndryszekI. seinen Anfgang genommen hat. Der war der beste Schmied weit und breit, aber es machte ihn nicht glücklich. Bis ihm ein Gespräch mit seinem Heiligen die Aufgabe fürs Leben verschaffte: die Bilder laufen machen.

Derlei Huldigung an polnisches Genie hätte gern kürzertreten dürfen zugunsten der weit amüsanteren Haupthandlung. Zweihundert Jahre später will der kleine Józef AndryszekVI., dem die größten Segelohren der Filmgeschichte zu besitzen nicht genug ist, die Maschine nach den Plänen seines Vorfahren nachbauen. Doch seinem daueralkoholisierten Vater ist die Familientradition schnuppe, er zerstört die Zeichnungen, die Leonardo da Vinci zur Ehre gereicht hätten. Das Vater-Sohn-Drama nimmt seinen Lauf und beschert dem Film bewegende Momente, ohne unangenehm sentimental zu sein.

Derweil trabt Onkel Janusz mit seinem Kino auf Rädern durch Schnee und Eis, den Menschen die bewegten Bilder zu bringen: „Onkel Janusz kommt bei jedem Wetter.“ Als der Alte auf seinem Kutschbock mitsamt Pferd einfriert, weiß Józef sofort, was zu tun ist: Eine nächtliche Vorführung im Schnee macht Onkelchen wieder munter. Nach der an Kusturica geschulten apokalyptischen Eingangssequenz einer von vielen schönen Bildeinfällen, mit denen Kolski erfolgreich Kitsch und Groteske verbindet.

Zu alldem gibt es noch jede Menge Sex, von Erotik ist bei so viel Misogynie leider nicht zu sprechen. Die guten Frauen sind unter der Erde, die lästigen machen dem Ingenieur das Erfinden schwer. Auch weiterhin bleiben Frauen in der Geschichte der Technik unterrepräsentiert! Ein Wermutstropfen in einem ansonsten liebevollen und zärtlichen Film. Philip Bühler

Panorama, heute, 20.30 Uhr; 12.2., Atelier am Zoo, 16 Uhr; 13.2., Filmpalast, 23.30 Uhr