: Vom Hinterhof zum Zentrum der Macht
Die neue Bundesgeschäftsstelle der Bündnisgrünen wird allein schon wegen der Sicherheitsbedürfnisse von drei Ministern kein offenes Haus. Auch die Mieter der nicht selbstgenutzten Flächen sollen solvent sein ■ Von Annette Rollmann
Im Hof der neuen Parteizentrale der Grünen hängen noch die Relikte ostdeutscher Vergangenheit. Erich Honecker blickt freundlich in den neuen Innenhof. Das Bild fanden Bauarbeiter kürzlich im Keller des Hauses, wo bis 1996 das DDR-Überbleibsel „Maschinenbau und Technikhandel“ Räume gemietet hatte.
Das Haus der grünen Parteizentrale im Zentrum Berlins, in direkter Nähe zum Reichstag und der Charité liegend, wird gerade für die Frauen und Mannen aus Bonn umgebaut und gleicht momentan einem Rohbau. „Wenn alles gutgeht, sind wir am 30. September da“, hofft Bundesschatzmeister Dietmar Strehl. Auf 1.500 Quadratmetern Bürofläche können dann rund 23 Mitarbeiter die Republik in der neuen Hauptstadt „grün“ gestalten.
Das wichtigste Argument für diesen Standort am Platz vor dem Neuen Tor1 war die „Fußläufigkeit“ zum neuen Regierungsviertel. In der entscheidenden Sitzung im Mai 1996 soll Jürgen Trittin gefragt haben: „Wollt ihr in einen Kreuzberger Hinterhof ziehen oder ins Zentrum der Macht?“ Damit, so wird kolportiert, habe er die Diskussion herumgerissen.
Insbesondere ein Teil des Landesverbandes Berlin hatte einen Industriebau aus der Jahrhundertwende in der Zossener Straße bevorzugt. Der Kreuzberger Standort wäre kostengünstiger als das Haus am Platz vor dem Neuen Tor gewesen. Denn immerhin: Kauf und Sanierung kosten die Partei 12,5 Millionen Mark. Diese werden laut Strehl zu 3,5 Millionen Mark aus dem Verkauf der ehemaligen Bundesgeschäftsstelle bei Bonn, des Hauses Wittgenstein, bezahlt. 1 Million Mark kommt aus Rücklagen. Die restlichen 8 Millionen finanzieren die Grünen über einen Kredit der Ökobank, „die uns ein sehr gutes Angebot unterbreitet hat“, so Strehl.
Aber auch die Nähe zum neuen Fraktionsgebäude in der Luisenstraße kommt den Grünen für den „internen Austausch“ jetzt zupaß. Das Gebäude der ehemaligen Generalstaatsanwaltschaft will die Fraktion im Sommer für rund ein Jahr beziehen. Es liegt nur rund acht Minuten zu Fuß von der Parteizentrale entfernt.
Um die hohen Kosten für den teuren Standort wieder hereinzubekommen, will der Bundesvorstand das Hinterhaus der neuen Parteizentrale, das einen Eingang mit eigener Adresse in der Hessischen Straße haben wird, vermieten. Allerdings ist der Vorstand laut Strehl davon abgekommen, aus der Bundesgeschäftsstelle ein „Szenehaus“ zu machen. Vielmehr wollen die überwiegend pragmatisch ausgerichteten Bonner Strategen lieber solvente Mieter, „die auch wirklich zahlen können“. Immerhin sollen Räume mit einer Gesamtfläche von 500 Quadratmetern vermietet werden. Für die Basisgruppen sei es auch inhaltlich nachteilig, wenn sie in das Haus am Platz vor dem Neuen Tor einzögen. „Wenn es Ärger um die Kohle gibt, leidet auch die Stimmung untereinander“, sagt der Bundesschatzmeister.
Grundsätzlich kämen für das Hinterhaus ganz unterschiedliche Mieter in Frage; gleichwohl denke man beispielsweise auch an befreundete Rechtsanwälte. Ohnehin sind die Grünen in dem Komplex nicht allein: Die obersten Stockwerke haben Privatleute aus Köln gekauft, die dort eine Weiterbildungsschule im Medizinbereich unterbringen wollen. Für sie war beim Kauf die Nähe zur Charité ausschlaggebend.
Da die Grünen nicht mehr wie zu ihren Anfangszeiten über den Zaun hinweg in die Zentren der Macht lugen, sondern selbst Teil der Regierung sind, ist ein ständiges Kommen und Gehen, wie es in basisdemokratischen Häusern üblich und auch gewünscht ist, kein Konzept der neuen Bundesgeschäftsstelle. Allein wegen der drei Bundesminister seien sicherheitsrelevante Aspekte zu beachten: „Da kann dann nicht mehr einfach mal so jeder rein- und rausmarschieren“, verdeutlicht Strehl die neue Situation – fern vom Volk. Schließlich sei ja auch der Bundesvorstand im dritten Stock des Gebäudes mit Balkon untergebracht. Und scherzend fügt Strehl an: „Von da aus kann man dann Reden zum Volk und an die Demonstranten halten.“
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