■ Gegen den Doppelpaß und für die doppelte Legasthenie: Roland Kochs Unterrichtsgarantie
„Wir wollen eine Unterrichtsgarantie für Hessens Schüler.“ Ein starker Satz von Roland Koch, dem Wahlsieger vom letzten Sonntag in Wiesbaden. Seit gestern wissen wir, wie der Satz des als Hoffnungsträger der CDU gefeierten Kandidaten zu verstehen ist: Die Garantie für den Unterricht gilt nur für „Reichsdeutsche“. Ehe nämlich Koch dazu kam, sein zentrales Wahlversprechen in Form von mehr Schulstunden, mehr Lehrern und besserem Lernen einzulösen, verriet er, auf wessen Rücken er dies auszutragen gedenkt: auf dem der Zweisprachler, der Zuwanderer. Ihren sogenannten muttersprachlichen Unterricht findet Koch überflüssig. Also will er ihn abschaffen.
Die Forderung ist genauso populistisch wie die Unterschriftenkampagne der CDU gegen die doppelte Staatsangehörigkeit. Man nimmt sich scheinbar der Sorgen der Bevölkerung an, hier des massiven Ausfalls an hessischen Schulen – um mit der vermeintlichen Lösung die Probleme nur weiter zu verschärfen. Die Streichung des Sprachunterrichts in griechisch, italienisch oder türkisch bringt keine einzige Schulstunde mehr. Im Gegenteil, der Ausfall wird weiter erhöht. Die rund 460 Heimatsprachler nämlich müssen weiter bezahlt werden; die Mehrzahl von ihnen ist unkündbar. Für andere Aufgaben müssen sie zunächst fortgebildet werden. Ein Unterfangen, das zu der von Koch so emphatisch versprochenen „sofortigen“ Lösung der hessischen Schulprobleme nichts beitragen kann.
Man wird einwenden können, daß die Hessen- CDU ja vielleicht doch 2.000 neue Lehrer einstellen wird. Schön wär's, die Schulen zwischen Frankfurt und Kassel hätten es bitter nötig. Nur besteht darauf wenig Hoffnung. Wer bei den Wahlgewinnern vom Sonntag nachfragt, woher sie denn die vielen Stellen nehmen und bezahlen wollen, bekommt zu hören: Jetzt streichen wir erst mal den überflüssigen Unterricht.
Nein, die hessische CDU ist mit Roland Koch geradewegs auf dem Weg nach rechts. Kaum verhohlen wird deutlich gemacht, daß die „Ausländer“ erst mal ordentlich Deutsch lernen sollten. Das verstehen auch Klein Erna und Onkel Otto. Obwohl es schlicht falsch ist. Die Erfahrung zeigt, daß die Muttersprache das Vorbild für die hinzuzulernenden Sprachen ist. Wer den Unterricht in der Muttersprache also abschafft, produziert Doppellegastheniker. Aber vielleicht ist das ja auch das Ziel: Aufstiegschancen gezielt den Deutschen zuzuteilen und anderen vorzuenthalten. Christian Füller
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