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Papon holt zum zweiten Mal die Vergangenheit ein

■ Im Fall des Massakers vom Oktober 1961 an Demonstranten in Paris wird erneut ermittelt

Paris (taz) – Erinnern Sie sich noch an Maurice Papon? Den ehemaligen Generalsekretär der Präfektur der Gironde, der zwischen 1941 und 1944 die Deportation der Juden aus Bordeaux mitorganisiert hat und deswegen als „Verbrecher gegen die Menschlichkeit“ verurteilt wurde? Jenes Urteil des Schwurgerichtes von Bordeaux fiel Ende 1997. Inzwischen ist der Mann 88 Jahre alt, und ein anderes Kapitel seiner Vergangenheit an der Spitze der französischen Verwaltung holt ihn ein.

Diesmal geht es um den 17. Oktober 1961, jenen Tag, als die Seine rot von Blut war. Rund 30.000 Algerier waren in jener Endphase des Algerienkrieges einem Aufruf der FLN gefolgt und hatten eine Demonstration in Paris abgehalten. Sie endete in einem Massaker der Polizei an Hunderten von Demonstranten. Monsieur Papon war zu jenem Zeitpunkt Polizeipräfekt von Paris.

In dieser Woche versuchte er seine Rehabilitierung. Er attackierte vor einem Pariser Gericht den Journalisten und Buchautoren Jean-Luc Eynaudi, der mit Hilfe von Interviews mit überlebenden Opfern und polizeilichen Zeugen das faktenreichste Buch über jenes Massaker veröffentlich hat („La bataille de Paris“ – Die Schlacht von Paris), wegen Verleumdung.

Doch entwickelte sich das Verfahren zu Papons Ungunsten. Im Gericht, wo gestern der letzte Verhandlungstag war. Und außerhalb, wo Journalisten der kommunistischen Wochenzeitung Huma hebdo recherchierten und am Rande des Pariser Vorortes Créteil Knochen fanden. Ein indirekter Zeuge der Polizeibrutalität will wissen, daß die Knochen von Opfern der Polizei aus jener Nacht stammen. Der Fall muß jetzt untersucht werden.

Im Gerichtssaal hatten erstmals zahlreiche überlebende Opfer, aber auch einige inzwischen pensionierte Polizisten Gelegenheit, ihre Version der Geschichte zu erklären. Alte Männer mit tiefen Narben an den Stellen, wo französische Polizisten sie am 17. Oktober 1961 mißhandelt hatten, berichteten von dem Massaker.

„Ich werde dir einen Schlag für deine Würde geben“, schrie ein Polizist auf der Seine-Brücke Saint-Michel den damals 24jährigen Hachémi Cherabil an, bevor er ihn ohnmächtig prügelte. Hachémi Cherabil hat Glück gehabt. Denn vom Hof der Polizeipräfektur wurden durch eine Tür, die 15 Meter vor dem Seine-Ufer endete, zahlreiche gefesselte Männer in den Fluß gestoßen. Ihre Leichen fischten Arbeiter noch Tage später aus dem Fluß. Immer wieder nennen die Zeugen die Orte, an denen sich die Gewalt konzentrierte: Saint- Michel, der Sportpalast und Vincennes. Dort behandelte die Polizei ihre Opfer mit einer Brutalität, die sich die Überlebenden nur mit höherem Auftrag erklären können. Papon hat die Toten vom 17. Oktober stets als Opfer einer „Begleichung unter Algeriern“ beschrieben. Der FLN hat das immer bestritten. Ausdrücklich hatten die Organisatoren die Teilnehmer der Demonstration aufgefordert, sich friedlich zu verhalten.

In dieser Woche widerlegten vor Gericht auch mehrere damalige Polizisten die Papon-Version. Emile Porzer beschrieb die „verläßlichen Zeugenaussagen“ seiner Kollegen am 30. Oktober 1961, die er damals für ein Flugblatt benutzte – eines der wenigen Dokumente, das der offiziellen Version widersprach. Roger Blanc, damals Brigadier, erinnert an die Funksprüche jener Nacht, die „Papon hören mußte“. Sie waren „voller Schreie und Drohungen“. Er erinnert sich auch an den Auftrag eines Vorgesetzten, die Opfer nicht mit Dienstkrawatten zu erdrosseln, sondern mit Eisendraht: „Das ist nicht teuer. Und außerdem anonym.“ Dorothea Hahn

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