: Stadtplanung von unten
Eine Bezirkskonferenz mit BürgerInnen nimmt Entwürfe für Bahnhofsvorplatz Bergedorf auseinander. Die PolitikerInnen staunen ■ Von Gernot Knödler
Ernst Heilmann von der GAL Bergedorf hatte am Wochenende ein Aha-Erlebnis. „Das sind einfach ganz andere Politikformen“, lobte er die zweitägige Bezirkskonferenz über die zukünftige Gestalt des Bergedorfer Bahnhofsvorplatzes. Die Veranstaltung mit VertreterInnen von Politik und Verwaltung, ExpertInnen, InteressenvertreterInnen und 18 zufällig ausgewählten BürgerInnen ging gestern in Allermöhe West zu Ende.
„Wir in der Politik sind normalerweise nicht in der Lage, mal zwei Tage lang über Sachfragen zu diskutieren“, sagte Heilmann. In den Ausschüssen verhinderten das der Zeitdruck und der Zwang zur Profilierung der einzelnen Parteien. An diesem Wochenende hingegen sei es möglich gewesen, Gemeinsamkeiten quer durch die Fraktionen der Bezirksversammlung herzustellen, und das im Dialog mit den BürgerInnen.
„Die wissen schon, was sie wollen“, bestätigte Heilmann. Eine Verbindung des geplanten Zentrums am Bahnhof mit dem Süden des Stadtteils zum Beispiel und die Verknüpfung von Bahnen und Bussen mit Parkplätzen, Fußgänger- und Radwegen. Beide Ideen sollen die Grundlagen für künftige Planungen sein. Ob es das im Mittelpunkt aller Entwürfe stehende Einkaufszentrum am Bahnhof überhaupt geben muß, war am Wochenende umstritten, zumindest der Einzelhandel hegt Zweifel.
Die von einer privaten Politikberatungsfirma organisierte Konferenz war erst auf massiven Druck der „Bürgerinitiative Bahnhofsvorplatz Bergedorf“ zustande gekommen. Sie befürchtete die Zerstörung des Stadtteils durch ein riesiges neues Einkaufszentrum, das die gewachsenen Strukturen des Hamburger Städtchens zerstören und dem alteingesessenen Einzelhandel den Garaus machen würde.
„Die Diskussion hat gezeigt, daß auch Politiker irren können“, stellte gestern Fritz C. Hamester, der Vorsitzende des Bürgervereins Lohbrügge, mit einer gewissen Genugtuung fest. In einem mehrstufigen Verfahren waren zunächst Fragen an die drei konkurrierenden Investoren erarbeitet worden. Gestern hatten die Projektentwickler dann jeweils vierzig Minuten Zeit, den BürgerInnen zu antworten. Diese Statements werden die TeilnehmerInnen anhand von sieben zentralen Punkten auswerten; die PolitikerInnen sollen aus den umfangreichen Ergebnissen eine Entscheidungsgrundlage für die Auswahl eines Entwurfs backen.
„Wichtig ist, daß bei den Bürgern nicht der Eindruck entsteht, das war eine Alibi-Veranstaltung“, betonte GALier Heilmann. „Ob es eine war, wird die Zukunft zeigen“, antwortete der Bergedorfer Rolf Krause. Ihm sei nicht klar geworden: „Sollen wir Bürger das Salz in der Suppe sein oder die Petersilie auf der Schlachtplatte, und das Schwein ist schon längst tot?“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Werner Omniczynski jedenfalls versicherte hoch und heilig, die BürgerInnen würden weiterhin über das bei gesetzlichen Beteiligungsverfahren geforderte Maß hinaus eingebunden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen