: Kurden reagieren bestürzt auf tödliche Schüsse
■ Unklarheit über weitere Eskalation der Gewalt. Jüdische Gemeinde fürchtet keine Racheakte
Mit Bestürzung reagierten gestern viele der rund 50.000 Kurden auf den gewaltsamen Tod dreier Besetzer des israelischen Konsulats. Gleichzeitig herrschte Ratlosigkeit darüber, ob es zu erneuten Ausschreitungen oder weiteren Protestaktionen kommen werde.
„Ich bin sehr traurig“, sagte Hassan Zand, der stellvertretende Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Berlin. „Es wäre besser gewesen, die Kurden hätten von Anfang an friedlich protestiert“, sagte er. „Dann hätte so etwas nicht passieren können.“ Auch Kazim Baba, der Vorsitzende des kurdischen Zentrums in Kreuzberg, einer Unterorganisation der Kurdischen Gemeinde, fand nur dürre Worte: „Ich bin im Schock.“ Die protestierenden Kurden müßten „unbedingt die Gesetze einhalten und dürften nicht gewalttätig werden“. Ob es zu Racheakten kommen werde, konnten beide nicht einschätzen.
„Wenn, dann läuft alles ganz spontan ab“, sagte Siamed Hajo, Mitarbeiter von Yekmal, dem Verein der Eltern aus Kurdistan. Hajo findet die Besetzung von Konsulaten und Botschaften „in Ordnung“. Das sei eine „legitime Widerstandsform“. Jedoch dürfe keine Gewalt angewendet werden. Der grüne Abgeordnete Riza Baran, selbst Kurde, befürchtete gestern „weitere Auseinandersetzungen“. Auch Ismail Kosan, türkischer Herkunft und ebenfalls grüner Abgeordneter, sagte: „Die Eskalation ist jetzt da.“
Aus Angst davor, daß sich die Ausschreitungen auf jüdische Einrichtungen ausweiten, hat die Polizei gestern vor dem Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße den Gehweg abgesperrt. Eine Stunde später war das Zentrum aber wieder offen. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, geht davon aus, daß Kurden keine jüdischen Einrichtungen aus Rache angreifen werden. „Ich hoffe, daß sie zwischen der Jüdischen Gemeinde und dem Generalkonsulat des Staates Israel unterscheiden können“, sagte Nachama. Er meinte, daß die Jüdische Gemeinde gute Beziehungen sowohl zu türkischen als auch kurdischen Bevölkerungsgruppen habe. Julia Naumann
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