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Weiße Flecken

■ Ein Programm von Siemens filtert die Werbung aus dem Web: Die Medienbranche hofft, die Installation werde als zu schwierig empfunden

Umsonst ist bei der Firma Siemens eigentlich nichts zu haben. Manchmal aber doch, und prompt hat die Ausnahme für einigen Ärger gesorgt. Zumindest intern, aber nicht in der Elektrobranche, sondern bei der Werbewirtschaft und bei den Verlagen. Das Geschenk ist unter www.siemens.de/ servers/wwash/wwash_de.htmaus dem Netz zu holen und ist ein weniger als ein Megabyte großes Programm. Es heißt „WebWasher“, läßt sich überaus einfach unter Windows installieren und filtert so gut wie alle Werbeschaltungen aus Webseiten heraus. Die Plätze der sogenannten Banner bleiben leer – weiß gewaschen eben. Wer das Programm nur privat nutzt, braucht keinen Pfennig zu bezahlen, gewerbliche Anwender werden gebeten, ihren Obolus an den Weltkonzern zu entrichten.

Das technische Prinzip ist simpel. Der WebWasher erkennt die Standardformate der Werbegrafiken an ihrer Größe. Hilfreich zur Hand gingen, wenn auch unfreiwillig, der Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VdZ) und der Bund deutscher Zeitungsverleger (BdZV). Die beiden Verlegerorganisationen hatten im Februar letzten Jahres Standardgrößen für Werbeflächen auf Webseiten definiert, um der Werbewirtschaft gegenüber mit einheitlichen Berechnungsgrundlagen auftreten zu können. Die Standardisierung war die Grundlage für den Aufbau einer Tarifdatenbank für Online- Medien, jetzt droht sie beiden Seiten das Geschäft zu verderben. Der Filter aus dem Hause Siemens nutzt dieselben Informationen, um die Werbung gleich ganz abzuschalten.

Mehr als 7.000 Werbemuffel täglich holen sich inzwischen die hilfreiche Software auf der Siemens-Website ab – sie spart nicht zuletzt die Telefongebühren, die für das stets zähe Laden der Werbegrafiken anfallen. „Inzwischen liegt das Programm natürlich auch auf anderen Rechnern im Netz. Wie viele Internetnutzer den WebWasher tatsächlich benutzen, können wir unmöglich sagen“, erklärt Horst Joepen, der bei Siemens für den Bereich „New Business Opportunities“ verantwortlich ist. Der Filter, versichert Joepen, sei eigentlich ein Nebenprodukt firmeninterner Entwicklungen. Man habe den Mitarbeitern des Hauses während der kostbaren Bürostunden schnelleren Zugriff zum Internet ermöglichen wollen. Böse Zungen behaupten allerdings, der Grund sei ein anderer gewesen: Zuviel Zeit hätten die Mitarbeiter auf Schmuddelsites verbracht, nur deshalb habe Siemens seine eigene Filtersoftware entwickelt.

Werbeblocker sind schon seit geraumer Zeit auf dem Markt. Doch die deutsche Multimedia- Branche hat sich bisher darüber kaum Sorgen gemacht. Die Filter waren auf US-amerikanische Verhältnisse zugeschnitten. Das Programm „Intermute“, kann man für 27,50 Dollar Registrierungsgebühr installieren, den „Junkbuster“ gibt es sogar als Freeware im Netz. Beide sind auch in Unix-Versionen erhältlich, allein die Apple-Gemeinde hat erneut das Nachsehen: Für den Mac funktionieren sie alle nicht.

Der WebWasher läuft bislang ausschließlich unter Windows, sein Vorteil hierzulande liegt jedoch darin, daß er von Anfang an auf die Praxis der deutschen Medienbranche eingestellt ist. Nachbesserungen und effektive Aktualisierungen sind sehr leicht und schnell möglich, wer mag, kann sich per E-Mail sogar umgehend über die jeweils neueste Version informieren lassen.

Kostenlos ist auch dieser Service der Firma Siemens, und er zwingt die Werbewirtschaft zum Wettrüsten. Sie muß Banner bauen, die für die Filtersoftware nicht mehr so einfach zu erkennen sind. Die Filterexperten ihrerseits werden mit noch besseren Spürfähigkeiten ihrer Programme antworten. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, das etwas grobe Kriterium der Formate mit einer Datenbank zu verknüpfen, die nach Schlüsselbegriffen wie „Sonderangebot“ oder „Schnäppchen“ sucht – ein Verfahren, das zwar auch bei Sex- und Gewaltfiltern zum Schutz von Kindern und Jugendlichen angewandt wird, aber zu wenig zuverlässigen Ergebnissen führt. Unerwünschte Inhalte rutschen durch den Filter, wenn das Schlüsselwort nicht vorkommt, erwünschte Angebote dagegen werden verbannt, nur weil sie zufällig auch den Schlüsselbegriff enthalten.

Ähnliches gilt schon jetzt für die Standardgrößen der deutschen Werbewirtschaft, die der WebWasher interpretiert. Wer seine Urlaubsfotos auf seiner Homepage zeigen möchte, sollte die Formate vermeiden, die in der schwarzen Liste des Programms aufgeführt sind. Die Strandfotos werden sonst als Werbung ausgeschieden. Die Ausschlußliste läßt sich übrigens durch eigene, frei definierbare Einträge erweitern, zudem können ganze Webadressen ausgesperrt werden. Als Kinderschutz ist das Programm dennoch ungeeignet: Es läßt sich mit einem einzigen Mausklick ausschalten und gibt dann sofort alle zuvor gesperrten Daten frei.

Schaden werden durch seine massenhafte Installation vor allem die kleinen Inhalte-Anbieter haben, die darauf angewiesen sind, ihre Seiten mit Online-Werbung zu finanzieren, und sich keine findigen Webmaster leisten können, die den Filter austricksen. Größere Anbieter von werbefinanzierten Angeboten dagegen bleiben gelassen. „Wir haben keine Angst vor Werbefiltern“, sagt Armin Gellweiler, Chefredakteur bei der Suchmaschine „web.de“. „Da wird jetzt gehypt, was das Zeug hält. Wir setzen darauf, daß den Benutzern Installation und Anwendung zu aufwendig sein werden. Schließlich surfen die meisten sowieso vom Büro aus, da sind ein paar Sekunden Ladezeit mehr oder weniger nicht ausschlaggebend.“

Er mag recht haben, wenn – wie bei web.de – meistens nicht mehr als ein Banner pro Seite zu ertragen ist. Anders bei großen Online- Publikationen wie etwa Spiegel- Online (www.spiegel.de). Dort kann es sehr lange dauern, bis im Anschluß an alle Werbeschaltungen endlich das redaktionelle Angebot geladen ist.

Naht deshalb das Ende werbefinanzierter Angebote im Web? Daran glauben weder die Anbieter der Filtersoftware noch die Werbewirtschaft. „Falls wir durch das Filtern existenzbedrohende Einkommenseinbußen hinnehmen müßten, würden wir in der Folge die Banner so sparsam einsetzen, daß Besucher sie als Vervollständigung der Seite annehmen und nicht als störendes Element empfinden“, vermutet Gellweiler. „Außerdem“, gibt er zu bedenken, „akzeptieren die meisten Internetnutzer die Werbung, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Sie wissen, daß ohne Werbung im Netz nichts läuft.“

Auf diese Position zieht sich auch der Deutsche Multimediaverband (dmmv) in Düsseldorf zurück. „Wir wollen das Thema im Moment nicht hochkochen“, versichert der Referent für Online Marketing des dmmv, Ingo Hendriks. „Wir setzen auf die Eigenverantwortlichkeit der Nutzer, denn Werbung finanziert die kostenlose Informationsvielfalt, den meisten ist das auch bewußt.“

Auch die Webdesigner reagieren unaufgeregt. Vielleicht löst der Banner-Blocker bei ihnen sogar einen kreativen Schub aus. „Im internationalen Vergleich wirken die deutschen Banner ziemlich langweilig“, findet Chris Scharmach von der Hamburger Multimedia- Agentur „surver:internetworks“. Er glaubt, daß schon jetzt in vielen Browsern die Option „ohne Grafik“ eingeschaltet sei.

Damit verschwinden zwar auch Bilder, die keine Werbung sind, aber „das passiert ja beim WebWasher genau so“, weiß Richard Paul, der die Abteilung Online Advertisement bei der Multimedia- Agentur Pixelpark leitet. Wer sich die Mühe mache, Filtersoftware zu installieren, gehöre ohnehin nicht zur interessanten Werbezielgruppe, vermutet Paul: „Internetwerbung basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und des Zusatznutzens. Wer eine bestimmte Art von Information sucht, der klickt auf das Werbebanner. Wir sprechen Kunden an, die Werbung akzeptieren.“ Wen sonst, wenn man sie endlich abschalten kann? Helena Jagusch

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