piwik no script img

Alltag paradox

■ Geld und Gemälde in trauter Eintracht: Heute eröffnet die „Kunst in der Börse 99“

Kunst und Geld haben ein inniges, aber schwieriges Verhältnis. Sie brauchen sich, und sie mißbrauchen sich, sie hassen sich, und sie lieben sich. Vom Geld verschmähte Kunst schmollt einsam in der Ecke und schimpft und neidet den Reichtum, wird sie aber vom Geld zu sehr umarmt, gilt die Kunst als Hure. Und wie viele Therapeuten kümmern sich um dieses problematische Paar! Galeristen und Kunstvermittler, Sammler und Auktionatoren, gebildete Zahnärzte und Banken, Kulturbehörden und Stiftungen helfen ihm und kassieren ihre eigenen Honorare.

Bisher galt es aber zumindest an den Hochschulen der Kunst eher als schick, sich ja nicht um den Markt zu kümmern. Doch auch hier ist seit einiger Zeit ein Wandel zu beobachten. Und das ist gut so, denn was nützt alle Freiheit der Kunst, wenn keiner guckt und niemand zahlt und dem Künstler die Luft ausgeht und er doch Lehrer werden muß.

Um Biografien zu beschleunigen und zu vereinfachen, hat die Hochschule für bildende Künste zusammen mit der Handelskammer und dem Lions-Club vor zwei Jahren einen ganz direkten Weg probiert: Junge Kunst wurde in das symbolische Herz des Kapitalismus verbracht und in Hamburgs prachtvoller Börse ausgestellt. Der Erfolg riet zur Wiederholung. Diesmal wurden vierzehn Studenten höherer Semester ausgewählt – und es ist kein Zufall, daß es sich überwiegend um Frauen handelt.

Für zwei Tage sind sie im gediegenen Ambiente Botschafterinnen breiter künstlerischer Kreativität und zeigen, „wie sich Ideen und Imagos fortpflanzen“ (so Hochschul-Vizepräsident Werner Büttner im Katalog). Zudem können sie den Kontakt zum als zahlungskräftig vermuteten Publikum testen. Das wird in seiner börsenspezifischen Suche nach dem richtigen Trend aber enttäuscht. Denn wo schon der Ausstellungsbetrieb fast alles zuläßt, ist die Kunsthochschule erst recht der Ort der Vielfalt.

Biologisch-sexuelle Superzeichen in logomäßig reduziertem Siebdruck von Melanie Zeuch, konkrete Abstraktionen in Öl von Nina Kluth und Gemälde von Frank Jacobs oder die angedeuteten Skizzen von Kyung-hwa Choi (ahoi) bieten Anhaltspunkte dafür, daß die traditionellen, oft totgesagten Techniken Zeichnung, Malerei und Auflagendruck sich weiterhin eines gesunden Lebens erfreuen. Die „Liegengebliebenen Landschaften“, poetische Schwarz-weiß-Bilder selten werdender Stadtbrachen von Saskia Loos, und Bianca Hobuschs Projektionen von kunstgeschichtlichen Berühmtheiten und schräge Sichten auf Katalogabbildungen alter Meisterwerke beschreiben zwei Arten des Umgangs mit Fotografie: als dokumentierendes Aufspürmittel und als Reflexion auf allgegenwärtige Durchmedialisierung.

Ein Fernsehbild nach Schlüsseln pfeifen läßt Catherina Barich, und siehe, die „Keyfinder“ antworten ihrer medialen Herrin. Italienische Gärten sind das Thema von Dorothea Goldschmidt: Die Dressur der Natur überführt sie konsequent in Polsterobjekte. Yenafenta Abate zeigt lange, übervoll-erzählerische Bilderrollen, und die Rumänin Silvana Toneva, deren Filminterview mit dem Erfinder des Kalaschnikow-Maschinengewehres schon für Furore sorgte, zeigt Eindrücke paradox inszenierten Alltags.

Alles zusammen kann als edle Fassung der Jahresausstellung der Hochschule wie in einem schönen Schaufenster genossen werden. Die erhofften Ankäufe fördern dann nicht nur die Künstler, 25 Prozent des Erlöses gehen an das Kinderhaus am Pinnasberg.

Hajo Schiff

„Kunst in der Börse 1999“: morgen und Sonntag, 10 – 16 Uhr; Führungen um 11 und 15 Uhr. Eröffnung: heute, 18 Uhr, Katalog 70 S., 20 Mark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen