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Äxte, Schecks und Alkohol

Es schien, als sei beim Einbruch auf dem Bio-Bauernhof nur Schnaps geklaut worden. Doch dann wurde der erste Scheck eingelöst  ■ Von Eberhard Spohd

„Wissen Sie eigentlich, was heute für ein Tag ist?“ Begeistert waren die beiden Streifenpolizisten nicht, als sie an Silvester die Hamburger „Stadt/Land-Genossenschaft“ aufsuchen mußten, um einen Einbruch aufzunehmen. Dafür zeigten sie sich großzügig, was das Tatwerkzeug anging: „Ist das Ihres?“ fragten sie Geschäftsführer Robert Jarowoy bezüglich der Axt, die sie die ganze Zeit schon in den Händen gehalten hatten. „Nehmen Sie das ruhig in Ihr Inventar auf, bei uns wird das ohnehin nur versteigert.“ Bereits an dieser Stelle hätte Jarowoy mißtrauisch werden sollen.

Fünf Tage später bekam er denn auch Besuch von der Kripo. Die Beamten forderten die Axt zurück, die in der Zwischenzeit jeder Mitarbeiter des Biohofes schon staunend in die Hand genommen und begutachtet hatte.

Besonders erbost war der Geschäftsführer der Biogenossenschaft zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Erst am 1. Februar ging ihm auf, daß bei dem Einbruch nicht nur ein wenig Bargeld und einige Alkoholika verschwunden waren. An diesem Tag wurde nämlich ein Verrechnungsscheck über 10.000 Mark in einer Bank-Filiale in München eingelöst. „Ich hatte die Existenz dieser Schecks völlig verdrängt“, gibt Jarowoy im Nachhinein zu, „aber das waren ohnehin alte, ohne Euro-Eintrag, die eigentlich nicht mehr eingelöst werden durften.“ Sofort kontaktierte Jarowoy seine Bank und ließ den Scheck sperren.

Ein Anruf bei der Kripo hinterließ zumindest einen Beamten zerknirscht: Der Fall, der schon als unlösbar abgeschlossen worden war, mußte wieder aufgenommen werden. Doch ohnehin, fiel dem Beamten ein, war nicht die Kripo, sondern das Landeskriminalamt zuständig, Dezernat Wirtschaftsdelikte. Also wurde Jarowoy flugs dorthin vermittelt – und von da ebenso schnell weiter ins Dezernat Scheckbetrug. Dort verwies man ihn wieder zurück zum LKA: Verrechnungsschecks werden in diesem Ressort nicht behandelt.

Ein wenig verärgert bemerkte der Geschädigte bereits am nächsten Tag, daß ein Scheck eingelöst worden war, diesmal über 6000 Mark. Also rief er erneut bei seiner Bank an. Hier gestaltete sich die Sache nicht mehr so einfach wie am Tag zuvor. Denn offensichtlich ist nicht jeder Mitarbeiter gleich qualifiziert. Der Angestellte, der prompt gehandelt und den ersten Scheck zurückgebucht hatte, teilte man Jarowoy mit, sei nicht nur als einziger Angestellter dazu in der Lage, sondern habe aufgrund von Jobsharing-Maßnahmen nur eine halbe Stelle. Kurz: Er sei nicht im Hause. Dennoch, beschied man Jarowoy, wolle die Bank sich schlau machen und versuchen, alle Schecks aus der entwendeten Serie zu sperren.

Einige Tage später wurde ein dritter Scheck eingelöst, wieder über 10.000 Mark. Endlich wurde die Bank tätig. Nach einem weiteren Anruf seitens Jarowoys schrieb der zuständige Sachbearbeiter einen Brief an die „Stadt/Land“. Nicht etwa des Inhalts, daß jetzt alles seinen geregelten Gang gehe, sondern daß der Dispositionskredit um 7000 Mark überzogen sei und innerhalb von 14 Tagen ausgeglichen werden solle. „Und dies war nicht etwa ein fertiger Formbrief“, zürnt Jarowoy, „sondern eigenhändig aufgesetzt.“

Auch beim LKA hatte er keinen leichten Stand. Dem zuständigen Beamten war inzwischen klar geworden, daß doch die Kripo zuständig sei. Dort habe er bereits angerufen, allerdings sei die Leitung den ganzen Nachmittag besetzt gewesen. Auf die inzwischen drängende Bitte, doch etwas zu unternehmen, berichtet Jarowoy, habe der Mann mit einem Wortschwall geantwortet: „Sie wissen ja gar nicht, wie viele Leute ich anrufen soll. Wir sind total überlastet. Sie sollten einmal meinen Schreibtisch sehen. In Bayern wäre das alles ganz anders, in Hamburg kann man die Kriminalität nur noch verwalten. Werben Sie doch in ihrem Bekanntenkreis dafür, daß die rotgrüne Regierung abgewählt wird, dann bekommen wir wieder mehr Geld und können effektiver arbeiten.“

Ein Zitat, das Polizeipressesprecher Hans-Jürgen Petersen gegenüber der taz zwar nicht bestätigen konnte, ihn aber zu der Aussage bewog: „Wenn es tatsächlich gefallen ist, dann war es unangemessen und deplaziert, zumal einem Geschädigten gegenüber.“

Jetzt reichte es Jarowoy. Er ließ sich direkt zum Leiter des Landes-Kriminalamts durchstellen. Dessen Referenten schilderte er seinen Fall. Der Beamte versprach, alles nötige zur Lösung des Problems in die Wege zu leiten.

Und tatsächlich meldete sich am 12. Februar der Kripobeamte, der von nun an die Ermittlungen führte – zwölf Tage, nachdem der erste Scheck eingereicht wurde. Und auch die Ökobank war inzwischen aktiv geworden, hatte sämtliche Schecks gesperrt und zurückgebucht. Endlich war alles im Lot. Und die Kosten für die Stadt/Land-Genossenschaft betrugen letztlich nur dreimal 7,50 Mark – für die Rückbuchungen.

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