: Neue Liste geht „weltoffen“ in den Wahlkampf
■ SPD-Bezirksparteitag segnete Kandidaten ab,Programm mit kleinen Überraschungen
Der Landesvorsitzende der Bremer SPD, Detlev Albers, fand auf dem SPD-Stadtbezirksparteitag bemerkenswert klare Worte: Welche Koalition die Bremer SPD nach dem Wahltag am 6. Juni eingeht, „das entscheiden wir hier gemeinsam“, rief er den Delegierten zu, das entscheide „keiner alleine“ und „schon gar nicht am 6. Juni abends“. Das war auf den Bürgermeister gemünzt, der nach Beobachtung seines Fraktionsvorsitzenden Christian Weber „relativ eindeutig“ festgelegt erscheint in der Koalitionsfrage.
Das werde sich „am 6. Juni entscheiden, um 18 Uhr 15“, hatte Weber vor dem Parteitag erklärt. Das würde bedeuten: Die Parteibasis darf Wahlkampf machen, hat dann aber nichts mehr zu melden. Wer Koalitions-Gespräche mit den Grünen von vornherein ausschließt, der „demotiviert im Wahlkampf“, meinte auch Stadtbezirksvorsitzender Wolfgang Grotheer in Anspielung auf solche Äußerungen. Es gebe die Verabredung, die Koalitionsfrage offen zu halten, erinnerte Albers, wo „andere Eindrücke“ entstehen, da „schadet das“.
Diese bemühten Klarstellungen trafen die Stimmung vieler Delegierten. Einer drückte das so aus: „Die CDU ist immer noch unser politischer Gegner. Wer stellt im Wahlkampf Schilder für die große Koalition auf?“ Im Hintergrund ging es bei diesem SPD-Parteitag also um die Gretchenfrage „Rot-Grün oder Rot-Schwarz“.
Fraktionsvorsitzender Christian Weber mußte 78 mal „Nein“ von 210 Stimmzetteln ertragen, nur 55 Prozent der abgegebenen Stimmen (115) waren dafür, daß er auf einem Spitzenplatz drei die SPD-Liste mit anführt. Weber hatte seine Identifikation mit der großen Koalition in seinen zwei Minuten Redezeit noch einmal auf die Formel gebracht: „Wir waren in der Fraktion die gestaltende Kraft in der großen Koalition.“ Ansonsten aber segnete der Parteitag den sorgfältig ausgetüftelten Listenvorschlag der Mandatskommission, auf der Pfeiler der Koalition wie Peter Sörgel oder auch Barbara Klöpper fehlen, mit großen Mehrheiten ab (Scherf, Wischer, Weber, Emigholz, Böhrnsen, Sieling usw). Auch in den Programm-Beschlüssen wurden an einzelnen Stellen Zweifel deutlich, ob die „gestaltende Kraft“ der großen Koalition wirklich in sozialdemokratischer Handschrift schreibt. Am Dienstag soll die Bürgerschaft den Landschaftsschutz in der Osterholzer Feldmark aufheben – die SPD-Delegierten beschlossen fürs SPD-Programm, der „zusätzliche Bedarf“ für Wohnungsbau sei dort „nicht erkennbar“. Während die SPD-Bildungssenatorin die „verläßliche Halbtagsschule“ aus Kostengründen um 12 Uhr enden lassen will, beschlossen die Delegierten einhellig, verläßliche fünf Stunden bis 13 Uhr seien sozialdemokratische Handschrift. Die Erwartung, daß Programme in Regierungshandeln umgesetzt werden, haben aber erfahrene Parteitagsdelegierte nicht. „Zu schwammig und zu unkonkret“ sei das Programm, kritisierte einer der Delegierten und hegte den Verdacht, das sei gewollt, um dann eine Politik des „weiter so mit der großen Koalition“ zu legitimieren. Der Programmtext, der am kommenden Wochenende endgültig vom Landesparteitag verabschiedet wird, steht unter der Devise: „Lebendig, solidarisch und weltoffen“. K.W.
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